Lux Aeterna 2 (Die Abenteuer des Vampirs Jason Dawn) (German Edition)
allein im Kampf gegen die neu erwachten Alten stehen würde. Diesen kurzen Augenblick ihrer Unaufmerksamkeit nutzte der Franzose, um sich in einen Schatten aufzulösen und zu entkommen. Doch als Nachkomme einer Lamia war Ayleen in der Lage, diese Reaktion in Sekundenbruchteilen nachzuvollziehen und ihm gleichermaßen als Schattenwolke zu folgen. Zwei gestaltlose transparente Schemen durcheilten die Nacht hoch über den Köpfen der letzten Passanten, die um diese Uhrzeit noch auf den Straßen waren. Xavier versuchte Haken zu schlagen und in enge Gassen auszuweichen. Doch Ayleen folgte ihm dicht auf. Wo sie vorüber glitten verdunkelten sich Fenster und Laternen für einen winzigen Moment, ansonsten waren der Flüchtende und seine Verfolgerin aufgrund ihrer Geschwindigkeit mit bloßem Auge kaum auszumachen.
Irgendwann holte die zweite die erste Wolke ein. Was dann folgte glich einem Gewitter bei sternklarem Himmel: Eine einzelne Wolke, in der bläuliche Blitze wild umher zucken, als würde sich Strom mit mehreren tausend Volt entladen. Die Medien würden am nächsten Morgen von einem Kugelblitz über Rom berichten. Es dauerte nicht einmal zehn Minuten, dann war der Spuk vorüber. Es herrschte Totenstille.
Dann – völlig unerwartet – gab es einen leisen Knall, als wäre ein Staubsaugerbeutel geplatzt und es regnete grauschwarze Asche über Rom, die sich in alle Winde zerstreute, noch bevor sie den Boden berührte. Ein kleiner Teil des schwarzen Nebels sank langsam auf die Erde hinab und manifestierte sich zu einer festen Gestalt – Ayleen Knight. Sie sah an sich hinunter. Sie konnte sie ihrem Vater unmöglich gegenüber treten. Ihre Kleidung war teilweise zerfetzt. Violettrote Striemen und blutende Wunden verunzierten ihren Körper. Sie sah aus, als hätte sie gerade einen schweren Autounfall überlebt. Aber, auch wenn Xavier sie schwer verletzt hatte, so begannen ihre Wunden bereits, sich wieder zu schließen.
†
Jason Dawn erwachte in dem gemütlichen Wohnzimmer am frühen Morgen. Anna war gerade dabei, sich für die Arbeit fertig zu machen und band sich die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen.
„Guten Morgen“, rief sie durch die offene Badezimmertür, als sie bemerkte, dass ihr Gast sich aufgesetzt hatte. „Willkommen in unserer WG!“
„WG?“, brummte Jason. In seinem Kopf spielte jemand mit einem Presslufthammer herum. Er fühlte sich schwindlig. Anna kam aus dem Badezimmer und betrachtete ihn mitleidig.
„Wir haben gestern deinen Einzug gefeiert. Offenbar hast du etwas zuviel Rotwein genossen“, lächelte sie. Hoffentlich glaubte er ihr diese Ausreden! Aber was Besseres war ihr nicht eingefallen. Sie hatte gestern noch die halbe Nacht wach gelegten und überlegt, wie sie sein Dasein hier erklären sollte. Schließlich konnte sie ihm ja nicht sagen: Dich hat gestern Nacht der Storch, oder besser gesagt, ein Lichtwesen gebracht.
Jason hörte nur mit halbem Ohr zu. Was war mit ihm geschehen? Er sah auf seine Hände. Sie waren warm und gut durchblutet. Feine, blaue Äderchen pulsierten unter seiner Haut, die eine leichte Bräune aufwies, ein Überbleibsel seiner Zigeunervorfahren.
„Dein Studium beginnt erst morgen. Du kannst dich also noch etwas ausruhen. Und falls du nicht mehr weiß, wer du bist: Hier sind deine Papiere.“
Die junge Frau legte ihm Ausweis, Führerschein und die Kopie der Anmeldung vor, die sie heute im Briefkasten gefunden hatte. Außerdem hatte Leander noch einen Umschlag mit etwas Bargeld für seinen Freund beigefügt. Jason nahm die Sachen einzeln in die Hand und betrachtete sie, als könnten sie ihm helfen, den gerissenen Faden an seine Vergangenheit anzuknüpfen. Aber die Dokumente zeigten ihm nur einen völlig normalen jungen Mann. Er zählte sogar die Scheine in dem Umschlag. Etwa einhundert englische Pfund waren darin.
„Glasgow“, murmelte er. Er erinnerte sich an eine wunderschöne altehrwürdige Bibliothek. „Wieso studiere ich nicht direkt dort an der Uni?“ Er sah hoch.
Anna schluckte, wich seiner Frage jedoch nicht aus.
„Na ja, ich denke, deine Wunschfächer waren dort wohl voll belegt für dieses Semester. Aber du kannst ja später immer noch wechseln. Übrigens rate ich dir, noch einen Zusatzjob zu suchen, damit du regelmäßig was zur Miete beitragen kannst. Das Leben hier in der Großstadt ist teuer.“ Dabei versuchte sie, möglichst unbeschwert zu klingen.
„Miete …“ Jason ließ dieses Wort auf der Zunge zergehen. Er wusste
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