Lux Aeterna 2 (Die Abenteuer des Vampirs Jason Dawn) (German Edition)
Geschöpf in ihr durfte nie geboren werden.
Im Augenblick aber half es ihr wie eine Kompassnadel den Kapitänen auf hoher See, seinen Erzeuger ausfindig zu machen. Sie konzentrierte sich auf Xavier und erspürte ihn gar nicht fern von hier, wobei kilometerweite Entfernungen für Vampire soviel bedeuten, als würde ein Mensch mit dem Finger über eine Landkarte gleiten. Nur wenige Zentimeter sind darauf zurückzulegen und schon ist man von A nach B gereist. In gleicher Weise überließ sie ihren Körper nun den Schatten der Nacht und glitt als nebelhaftes Schemen durch die Nacht in Richtung der italienischen Hauptstadt davon. Ahnungslose Erdenbewohner hätten sie nur als durchscheinende, vom Wind getriebene Wolke am sternenklaren Himmel wahrgenommen.
Inmitten der ausgelassenen Menschenmenge bekam Xavier plötzlich Appetit. Das Schwarzlicht im Club tat sein übriges, denn dieses ermöglichte den Vampiren durch die Haut der Sterblichen auf das Geflecht der Adern darunter zu schauen. Und wer konnte da widerstehen? Der Franzose verließ das Nachtlokal, um auf die Jagd zu gehen. Die Spätvorstellung des benachbarten Kinos war bald zu Ende und vielleicht ließ sich noch ein unvorsichtiger Besucher erwischen. Danach wollte er sich auf den Weg zurück nach Paris machen. Er sollte seine Heimatstadt nie wiedersehen.
Xavier verbarg sich hinter eine Säule am Kinoeingang, als sich die ersten Kinogänger zeigten. Das Kassenhäuschen war schon geschlossen. Die meisten der jungen Leute waren in Begleitung oder in Gruppen unterwegs. Der Vampir wartete auf ein einsames Herz, ein einzelnes Opfer, das er wie ein Wolf ein schwaches Lamm aus der Herde herauslocken konnte. Heute war er jedoch selbst das Opfer. Die zierliche Blondine, die da auf ihn zutrat erkannte er auf den ersten Blick nicht. Die junge Frau zog so einige bewundernde Blicke auf sich. Seltsam, dass sie mitten in der Nacht eine Sonnenbrille trug. Er grinste, als ihm bewusst wurde, wer da in einem schwarzen, eng anliegenden Overall auf ihn zuschritt.
„Schau an“, sagte er anerkennend, als Ayleen Knight ihm auf einen halben Meter nahe gekommen war. „Findest du diesen Aufzug nicht zu sexy für die Mutter meines Sohnes?“, höhnte er.
Ayleen nahm die Brille ab. Ihre Pupillen hatten die Farben von dunklem Lavendel angenommen. In ihrer Tiefe loderte es. Xavier stutzte. Konnte es sein, dass …?
„Sag nicht, du bist jetzt eine von uns geworden? Wie ist denn das passiert?“, fragte er ungläubig, als er sie eingehend musterte. Ohne zu antworten ergriff sie sein Handgelenk wie eine Stahlklammer.
„Komm mit!“, forderte sie und zog den Widerstrebenden in eine Seitengasse hinter dem Kino. Container mit Abfall und Altpapier standen dort herum. Sie zog ihn hinter einen dieser Container.
„Nicht doch“, versuchte er zu spotten. „Komm schon, Engelchen, du weißt, dass ich eigentlich mehr auf Knaben stehe!“ Ein heiseres Lachen folgte.
„Halt den Mund!“, fuhr die junge Vampirin ihn an. Es klang wie das Zischen einer Schlange. Ihre andere Hand ergriff nun seinen Hals und sie presste ihn gegen die Backsteinmauer des alten Gebäudes. Seine Füße berührten den Boden kaum noch. Xavier wusste gar nicht, wie ihm geschah. Niemals hätte er solche überirdischen Kräfte in diesem zarten Geschöpf vermutet. Sie konnte unmöglich ein normaler Vampir sein!
„Hör zu. Ich möchte wissen, wo sich der Eingang zu dem Gewölbe befindet.“
Sie ließ ihm gerade noch soviel Luft, dass er antworten konnte.
„Im Arbeitszimmer von Bischof Di Maggio. Aber gib dir keine Mühe, die großen Alten wollen von uns nichts wissen. Haben sich einfach aus dem Staub gemacht“, keuchte er.
Er lachte heiser, denn der letzte Satz klang zu komisch.
Ayleen ließ ihn plötzlich los.
„Du gottverdammter Narr hast einige von ihnen wieder erweckt? Bist du von allen guten Geistern verlassen?“
Xavier rieb sich den Hals, wo Ayleen ihn gepackt hatte.
„Gottverdammt sind wir alle! Was soll's, Engelchen. Die Kirche hat mehr Menschen auf dem Gewissen als wir, ganz zu schweigen von den letzten Weltkriegen. Die Sterblichen vernichten sich selbst. Warum soll unsereins nicht seinen Anteil daran haben?“
Seine Stimme klang böse und zynisch. „Wusstest du, dass es eine riesige Nekropole aus römischer Vorzeit unter dem Vatikan gibt? Dieses Gewölbe ist nur eines von vielen.“
Ayleen achtete kaum auf seine abfälligen Bemerkungen. Ihr war schlagartig klar geworden, dass ihr Vater nun
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