Lux Aeterna 2 (Die Abenteuer des Vampirs Jason Dawn) (German Edition)

seltsame Bitte ein und er machte sich ein weiteres Mal in dieser Nacht auf den Weg, um diese zu erfüllen.
    Wenig später manifestierte er sich in den Katakomben der Seelenlosen. Es dauerte einige Zeit, bis dem Halbengel klar wurde, was hier geschehen sein musste. Schrecken bereiteten ihm weniger die angeketteten Toten an einer Wand als vielmehr die Scherben der sieben zerbrochenen Urnen.
    „Xavier Dantes, du herrschsüchtiger Idiot!“, fluchte er so laut, dass es von den Felsenwänden widerhallte.
    Er konnte es nicht fassen! Hatte Ayleen davon gewusst? Nein, bestimmt nicht! Aber nun verstand er zumindest den Grund, warum sie Xavier vernichten wollte. Nicht nur, weil er sie zur Mutter einer neuen Vampirrasse machen wollte, nein, weil sie in ihm diesen Plan erkannt und ihrem Vater verschwiegen hatte. Xavier musste im Besitz von Azraels Bibel und des Gewölbeschlüssels sein!
    Nachdenklich hob Leander einige der Scherben auf. Noch immer klebte der zähe schwarzrote Schleim an ihnen. Mühsam versuchte er, zumindest einige der Namen zu entziffern. Zwei davon konnte er lesbar machen und sie allein ließen seinen Herzschlag für einige Sekunden aussetzen: Gräfin Bathory und der Marquis de Sade. Zwei uralte Vampire, die vor Jahrhunderten bereits eine Schreckensherrschaft errichtet hatten! Der Atlanter musste sich konzentrieren. Es durfte nicht angehen, dass dieser intrigante Franzose solche Monster erneut auf die Menschheit losgelassen hatte, ohne dabei einen Fehler zu machen. Leander blickte sich um. Er konnte deutlich im Staub die Fußspuren mehrerer Personen erkennen.
    Wie hat er eine solche Gruppe bloß hier heraus gebracht, ohne aufzufallen? Und warum haben wir dieses Erwachen nicht bemerkt?
    Die schmutzig blutigen Handtücher lagen ebenfalls achtlos hingeworfen mitten im Raum. Mit detektivischem Spürsinn ging er Xaviers Handlungen in Gedanken nach. Der blutleere achte Priester sagte ihm zumindest, dass es wirklich nur sieben Vampirmeister waren, mit denen sie es zu hatten. Sieben – die magische Zahl in der Offenbarung des Johannes: Sieben neue Vampirfürsten hatten die Grenzgänger erschaffen. Sieben Lamia lagen in einem verschütteten Berg noch immer in einem ewigen Schlaf. Sieben alte Vampirmeister waren soeben wieder erweckt worden. Er erinnerte sich daran, dass seine Tochter in Tibet darin gelesen hatte.
    Wir können diesen Prophezeiungen nicht entfliehen. Was geschrieben steht, steht geschrieben. Und das alles nur, weil ich Jasons Tod vorgetäuscht habe. Oh mein Gott. Aber ich darf jetzt nicht in Panik geraten. Ayleen weiß vermutlich noch gar nicht, dass sie womöglich mehr als einen Gegner hat. Sie wird sich vorläufig nur auf diesen Xavier konzentrieren und dem ist sie gewachsen. Verfl…. Er zwang sich dazu, dieses Wort nicht zu denken.
    Er MUSS doch irgendeinen Fehler gemacht haben!
    Leanders Verzweiflung wuchs. Doch er kannte Xaviers narzisstische Ader und bestimmt hatte der Franzose gehofft, diese sieben Vampire würden ihm womöglich folgen und zu neuer Macht verhelfen. Am liebsten hätte er bei diesem Gedanken laut gelacht.
    Du dummer kleiner Junge!
    Er konzentrierte sich erneut, sah dann auf die Uhr an seinem Handgelenk, die nicht nur Datum und Uhrzeit verkündete, sondern sogar die Mondphasen. Und jetzt fiel es ihm ein: Xavier hatte nicht auf den dreizehnten Mond gewartet! Azraels Bibel richtete sich nach dem Maya-Kalender, nicht nach dem gregorianischen Kalender.
    Du hast deine Hausaufgaben nicht vollständig gemacht, mein Freund!
    Leanders Zufriedenheit über diese Dummheit wechselte sich mit weiteren Überlegungen ab:
    Sobald die großen Alten Nahrung aufnehmen, wächst ihre Macht als Vampire, aber sie sind … vergänglich! Ja, sie sind nicht mehr mit der gleichen Unsterblichkeit gesegnet wie bei ihrer ersten Geburt. Wenn wir sie aufspüren, sind sie verletzbarer als in ihrer ersten Existenz. Das ist gut. Und genau das ist auch Xaviers Schwachpunkt, auch Ayleen hat sich nicht genau an die Regeln gehalten! Jetzt weiß ich auch, warum der Wandel bei Jason zurück zum Menschen so überraschend leicht gefallen ist, obwohl Ayleen so wenig sterblichen Anteil in sich trägt: Auch ich habe bei seiner zweiten Wandlung nicht auf den dreizehnten Mond gewartet! Mein Fehler wird nun Jasons Rettung sein.
    Diese Erkenntnisse ließen seine Knie nachgeben.
    Alles war vom Schicksal bestimmt, und wir alle sind nur Werkzeuge des Schicksals. Selbst meine Lügen, die ich aus Liebe ausgesprochen habe.
    Leander