Lux Aeterna (German Edition)
der kommenden Nacht begruben sie Adriana Carmosa am Rande des Dorffriedhofes und errichteten ihr ein schlichtes Holzkreuz mit ihrem Namen.
„Eigentlich hat sie sehr viel mehr verdient“, meinte Jason nachdenklich. „Eine großartige Frau, genau wie ihre Mutter“, fügte er hinzu. Damit spielte er auf Laetitias Rolle in dem Cuvier-Aufstand an, bei dem die Hybridenvampirin ums Leben gekommen war. Sie hatte sich geopfert, um die Menschen vor den aufständischen Vampiren zu retten.
Leander nickte. „Mögen sie nun beide in Frieden ruhen“, sagte er dann und segnete das einfache Grab.
„Ich hoffe, dass Gott ihnen ihre Seelen wiedergibt“, bemerkte Jason.
Leander blickte ihn an. Er sah noch genauso aus wie früher. Jung, verführerisch, wild und neugierig. Aber in seinen samtbraunen Augen lag auch so etwas wie eine tiefe Weisheit. Ein Wissen um andere Dimensionen?
„Das wird er, da bin ich sicher“, sagte der Halbengel und legte seinem Schützling die Hand auf die Schulter. „Jetzt kommt es auf dich an, mein Freund, Adriana sollte nicht umsonst gestorben sein.“
* * *
Nach der Rückkehr auf das Weingut beratschlagten Jason und Leander im Arbeitszimmer ihr weiteres Vorgehen. Sie waren allein. Leanders Haushälterin Maria verließ jeden Tag vor Einbruch der Dunkelheit das Gehöft. Auch wenn die kleine, rundliche Italienerin gerne und bereits seit langen Jahren für den eleganten und wenig gesprächigen Gutseigentümer arbeitete, so waren ihr gewisse Dinge in diesem Hause doch unheimlich.
Offenbar hatte sich der Halbengel schon eine Theorie zurechtgelegt. „Normalerweise müsstest du nun gegen die Waffen der Einhörner immun sein“, begann er das Gespräch.
„Das möchte ich nicht unbedingt in der Realität ausprobieren“, gab Jason trocken zur Antwort. Er stand an der Hausbar und mischte Rotwein und Tierblut miteinander.
„Kann ich gut verstehen“, grinste Leander, der lieber den Wein pur genoss. „Du erinnerst dich doch an unsere Enklave in Kanada?“, fragte er dann. Jason nickte. „Weder die Menschen, noch Xavier wissen davon. Mehr als eintausendfünfhundert Hybridenvampire stehen treu zu dir. Das sind mehr, als unser kleiner Prinz zurzeit aufbieten kann“, fuhr Leander fort.
Jason wandte sich um, hob die Brauen und blickte seinen ehemaligen Mentor misstrauisch an. „Die soll ich doch nicht etwa in eine Schlacht führen?“
Leander winkte ab. „Nicht doch. Von einem Krieg kann gar keine Rede sein. Im Gegenteil, du wirst das tun, was du am besten kannst: auf der Bühne stehen, Menschen und Vampire durch deine Ausstrahlung in den Bann ziehen und singen.“
Jasons Gesichtsausdruck wurde immer erstaunter.
Leander nahm davon keinerlei Notiz und unterbreitete ihm seinen Plan. „Du wirst dir unter deinen Getreuen in Kanada eine neue Band zusammenstellen und durch deine früheren Kontakte zur Musikbranche ein sensationelles Comeback in den USA starten. Unsere kanadischen Freunde haben sogar schon für ein Plattenlabel gesorgt, das mit euch eine CD aufnehmen wird. Von da aus gehst du auf Europatournee. Dein Name wird dann so bekannt sein, dass Xavier es nicht wagen wird, dich in der Öffentlichkeit anzugreifen.“
Leander griff nach dem Werbeflyer, den Adriana auf den Wohnzimmertisch gelegt hatte. Auf der Rückseite hatte er die Werbung der von Clement geführten Künstleragentur in Hamburg bemerkt. „Ich habe auch schon eine Agentur, die dir bei deiner Tournee behilflich sein kann. Und wenn das Problem Xavier gelöst ist, werden alle Vampire wieder auf deiner Seite stehen.“
„Soll ich ihnen etwa auch frische Nahrung versprechen?“ Jasons alter Zynismus war zurückgekehrt. Leander lehnte sich genüsslich in dem breiten Sessel hinter seinem Schreibtisch zurück und betrachtete seinen ehemaligen Schützling. Kein Wunder, dass sich Xavier in ihn verliebt hatte. Der junge Mann da vor ihm zog mit seinem androgynen Wesen und den geschmeidigen Bewegungen beide Geschlechter an.
In dem engen dunkelroten Hemd und der schwarzen Hose wurde seine schlanke Figur noch betont. Dunkelbraunes Haar legte sich bis auf die Schultern und umrahmte das schmale, blasse Gesicht mit den magischen, tiefbraunen Augen unter mädchenhaft langen Wimpern. Ein sinnlicher Mund verbarg die überlangen Eckzähne der Vampire.
„Eine Katze, die man gerne streicheln würde, aber vor der man Angst hat, weil man ihre Krallen fürchtet“ , dachte Leander. „Das lass meine Sorge sein. Ich werde
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