Lux Aeterna (German Edition)
Gebäuden herumtreiben! Aber der Vampirprinz gab sich nicht mit Zuschauen zufrieden. Das Ganze hatte seinen Appetit angeregt. Jetzt schlug seine Stunde.
Der Nachtwind trug ein dunkles Schemen durch die Stadt, an der Seine vorbei, über die Brücken bis hinaus zu den Vororten. Im Bois de Boulogne, in dem sich zu dieser Zeit nur Vertreterinnen des ältesten Gewerbes der Welt herumtrieben, wurde Xavier endlich fündig. Ein Liebespärchen auf einer unbeleuchteten Bank jenseits der Spazierwege hatte die Zeit vergessen und war intensiv miteinander beschäftigt. Als Xavier seine schlanke, hohe Gestalt materialisierte und sich langsam den beiden näherte, blickten diese nur kurz auf, bevor sie wieder in einem scheinbar endlosen Kuss versanken. Xavier stand nun unmittelbar vor ihnen und strich eine seiner blonden Locken aus dem Gesicht.
„Wollen doch mal sehen, ob eure Liebe für die Ewigkeit bestimmt ist“, sagte er leise zu sich selbst. Mit vampirischer Kraft packte er den Mann und die Frau im Genick, noch bevor diese überhaupt einen Laut von sich geben konnten. Innerhalb von Sekunden hatte er ihre Kehlen aufgerissen und genoss ein üppiges Mahl.
Ihre leeren Hüllen platzierte er wieder so eng umschlungen, wie er sie angetroffen hatte. Die langen Haare der Frau verdeckten dabei die hässlichen Wunden am Hals.
Ein zufällig vorbeikommender Spaziergänger würde erst bei näherem Hinsehen bemerken, dass die beiden nicht mehr lebten. „Immer diese Sittenstrolche“, witzelte Xavier, als er sein Werk mit der Verliebtheit eines Künstlers betrachtete.
Dann verließ er den riesigen Park, gemütlich schlendernd wie ein Freier auf der Suche nach einem Abenteuer. Den Damen des leichten Gewerbes am Ausgang schenkte er ein Lächeln, lehnte ihre eindeutigen, offenherzigen Angebote aber dankend ab.
In dem angesagten Gothic-Club Les Caves in der Rue Saint Sabin ließ Xavier den Abend ausklingen. Die gewölbeartigen, schwach beleuchteten Räume vermittelten dem Besucher den Charme von Mittelalter und Historie. Der Club war bei Menschen und Vampiren gleichermaßen beliebt. Auch das künstliche Blut konnte man gegen Vorlage des Berechtigungsscheines dort erhalten, aber auch gut gekühltes Tierblut. Hier war Xavier ein gern gesehener Gast, und die vampirischen Besucher grüßten ihn mit einer gewissen Hochachtung.
Einige sahen ihn als Außenseiter an, andere bewunderten ihn dafür, dass er immer noch den alten Regeln folgte. Xavier selbst traute niemandem. Er setzte seine Gefolgsleute nur für seine Ziele ein, persönlichen Kontakt baute er zu ihnen nicht auf. So saß er auch heute allein an einem der kleinen Holztische in einer Nische des Gewölbekellers und beobachtete die Gäste. Gerade wechselte die Musik. Der DJ legte eine neue Scheibe auf, die er über das Mikro ankündigte: „Liebe Freunde, frisch aus den USA hört ihr jetzt den Titel Killing Kisses von Jason Dawn und seiner neuen Band. In den Staaten bereits auf Platz Eins der Indie-Charts!“
Xavier Dantes erstarrte, als die ersten, harten Gitarrenriffs erklangen.
* * *
Clement Larochelle hatte keine Ahnung von der bedrohlich dunklen Wolke, die sich über dem Kopf seines Chefs zusammenzog. Er hatte nur widerwillig die Leitung der Agentur Mystic Arts in Hamburg übernommen. Er mochte weder Künstler noch Deutschland und erst recht nicht das Hamburger Wetter. Also hatte er beschlossen, das Geschäft – der modernen Technik sei Dank – hauptsächlich von seiner Heimatstadt Paris aus zu führen und überließ die Geschäfte vor Ort seiner tüchtigen Assistentin Celeste Martin, die bereits unter ihrer leider so früh verstorbenen Chefin Daniela Neumann seit Jahren den größten Teil der Arbeit bewältigt hatte.
Die Anfrage des amerikanischen Labels, eine Rockband auf Europatour zu schicken, war nichts Ungewöhnliches und da sogar die Kosten für die Promotion übernommen wurden, hatte Celeste zugesagt. Sie brannte darauf, die Tourbetreuung persönlich zu übernehmen. Nicht nur, weil sie seit frühester Jugend mit Rockmusik verbunden war, sondern vor allem, weil sie endlich mal aus dem Büro heraus kommen wollte, in dem sie mit zwei Künstlerbetreuern und drei Halbtagskräften tätig war. Sollte ihr Chef sich endlich mal aus Frankreich hierher bemühen und die Geschäftsführung selber machen! Zähneknirschend hatte dieser eingewilligt.
Celeste war siebenundzwanzig Jahre alt, beide Eltern waren bei einem Autounfall ziemlich jung gestorben. Ihre
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