Lux Aeterna (German Edition)
pünktlich um acht Uhr in ihrem Büro. Den Umschlag hatte sie nicht mitgebracht. Der war schon verschwunden, als sie heute Morgen aufgestanden war.
(15) Das Herz des Vampirs
Die Liebe eines menschlichen Wesens hatte Jason Dawn vor gar nicht allzu langer Zeit eine Art von „Seele“ zurückgegeben. Er hatte sie nicht gebissen und doch ihr Blut getrunken, das sie freiwillig gegeben hatte, und er hatte sie auch nicht getötet.
Aus einem seelenlosen Untoten, der mit seinem Dasein und mit Gott haderte, war ein Kämpfer für die Gerechtigkeit geworden, der Seite an Seite mit den Kommissaren Harald Welsch und Rita Hold gegen das Verbrechen kämpfte.
Doch er kämpfte noch einen anderen – inneren – Kampf, genau wie die Frau, die ihn liebte – Rita Hold.
Nur ein Blutsbündnis mit einem Grenzgänger-Vampir konnte ihre beiden Welten einander angleichen, um dieser Liebe eine Zukunft zu geben, ohne den Menschen zum Vampir werden zu lassen.
Der Preis dafür war hoch: Dazu musste die zeitliche Trennung aufgehoben und ein Mensch unsterblich werden. Eine menschliche Seele musste auf ihr Recht auf Tod und Wiedergeburt freiwillig verzichten. Und diese Tatsache würde Jason Dawn endgültig von dem Fluch des Bluttrinkens erlösen, nicht jedoch aus der Unsterblichkeit befreien. Sollte er aber in seine alte Natur zurückfallen, so würde er die menschliche Seele mit in das Verderben reißen. Aber es war die einzige Möglichkeit, ein unendliches Leben lang mit Rita zusammen bleiben zu können, wenn sie bereit sein würde, ein paar Tropfen seines Blutes zu trinken, um den Energieaustausch zu vollziehen.
Seit einiger Zeit war Jason inzwischen auf der Suche nach einem der Grenzgänger, die sehr selten waren. Sie entstanden zu der Zeit, als die Evolution den Vampiren neue Fähigkeiten verlieh und die alten wie die neuen Eigenschaften ineinander übergingen. Und während die alten „Meister“, die sich nicht anpassen konnten an die moderne Welt, weiterhin im Verborgenen blieben und nur Menschen zu Vampiren formen konnten, konnten die Grenzgänger genau wie die Hybriden, zu denen auch Jason gehörte, mitten unter den Menschen leben, aber auch auf andere Vampire ihre Eigenschaft des „Erschaffens“ durch einen zweiten Biss übertragen. Der einzige Nachteil der Grenzgänger war, dass sie ab und zu „schlafen“ mussten, und dieser Schlaf konnte Jahrzehnte oder Jahrhunderte überdauern.
Natürlich konnte man auch Jason als Vampir töten, doch das Geheimnis darum hatte er niemals preisgegeben. Fest stand, dass die heutigen Hybridenvampire immun gegen Sonnenlicht wie auch gegen die „klassischen“ Waffen waren. Dafür konnten sie keine weiteren Vampire durch ihren Biss erschaffen. Die Natur sorgte eben immer für einen Ausgleich. Aber sie hatte nicht vorgesehen, dass ein Mensch und ein Vampir sich verlieben würden.
* * *
Jason besuchte in dieser Nacht den Landsitz Marywood außerhalb von London, den letzten bekannten Wohnsitz des Pianisten und Grenzgänger-Vampirs Richard Tabatha. Das Haus stand seit nunmehr fast zwei Jahren leer. Lediglich die Haushälterin Lilly und Isaac, der Butler, bewohnten das Anwesen. Die beiden Menschen waren Vertraute des Vampirs, unter dessen Einfluss sie auch standen. Tabatha hatte damals Lilly aus einer Laune heraus von seinem Schicksal und dem seiner geliebten Schwester erzählt.
Als die damalige Assistentin von Kommissar Welsch, Tamara Hansen, die seine geheimnisvollen Morde untersuchte, auf Marywood zu Gast war, erfuhr sie von dem Familiengeheimnis und verfiel dem Vampir als Gefährtin.
Jetzt geisterte Jason wie ein Schatten durch dieses weitläufige Haus mit den stilvollen, antiken Möbeln, die mit weißen Tüchern abgedeckt waren. Er suchte nach Hinweisen auf den jetzigen Aufenthaltsort von Richard Tabatha – und er fand sie!
Offenbar hatte der berühmte Pianist seine reichhaltigen Gagen in mehreren Immobilien angelegt, darunter in eine riesige Farm in Paraguay. Und das Schiff, mit dem er und Tamara damals geflohen waren, war nach Südamerika unterwegs gewesen.
Paraguay war ein riesiges, dünn besiedeltes Land und auf einer Rinderfarm mit tausenden von Tieren konnten er und seine Gefährtin unerkannt jahrelang von Tierblut leben und so unentdeckt bleiben. Auf diese Weise waren sie nicht von dem künstlichen Blut abhängig, das die Regierungen den Vampiren lieferten. Ein geniales Versteck. Jason hoffte nur, dass Tabatha nicht seinen Schlafzyklus begonnen hatte. Seine
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