Lux Aeterna (German Edition)
Gefährtin Tamara konnte bei seinem Biss genauso gut Grenzgänger wie Hybrid geworden sein. Da war Jason sich nicht sicher.
Zwei Tage später berichtete er Rita Hold von seinem Plan.
„Und du denkst wirklich, dieser Tabatha wird auf den Handel eingehen?“, fragte sie.
„Er hat zumindest keinerlei Nachteile davon“, grinste Jason.
„Aber du, oder?“
„Nicht direkt. Bisher hat kein Vampir einen zweiten Biss von einem Grenzgänger empfangen“, sagte er.
„Na toll, zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Dr. Sommer“, ulkte Rita zynisch. Dann wurde sie wieder ernst. „Ich möchte nicht, dass du dich unnötig in Gefahr begibst“, meinte sie besorgt.
Jason lümmelte sich auf dem Sofa, in seiner manchmal flegelhaften Art war er kaum zu ertragen. „Was möchtest du denn überhaupt?“, fragte er jetzt geradeheraus. „Willst du mit mir zusammen sein oder nicht? Und wenn ja, in welcher Weise?“
Rita war perplex wegen seiner direkten Art.
Jetzt lachte er. „Keine Angst, das war kein Heiratsantrag. Ich will nur wissen, ob es dir mit uns ernst ist.“
„Du bist einfach unmöglich!“, schimpfte sie.
„Eben! Überleg dir gut, ob du mich für den Rest der ‚Ewigkeit’ ertragen kannst.“ Bei diesem Satz lag etwas Herausforderndes in seinen dunklen Augen. „Noch kannst du zurück, Rita. Ich werde kein Risiko eingehen, wenn du keine Zukunft mit mir willst.“
Die Gedanken der jungen Frau fuhren Karussell. Dass er so schnell eine Entscheidung fordern würde, hätte sie nicht gedacht.
Er stand auf und ging auf sie zu. Im Gegensatz zu früher wich sie nicht mehr vor ihm zurück. Jedes Mal, wenn er ihr so nahe war, fühlte sie sich wie ein willenloses Werkzeug. Vielleicht hatte der Kommissar doch Recht und sie erlag nur der Faszination, die allen Vampiren eigen war? Sie stand mit dem Rücken zur Wand – nicht nur bildlich gesprochen. Jason hatte sie wie eine Beute in die Ecke gedrängt. Seine Arme glitten um ihre Taille, und er küsste sie zum ersten Mal. Sanft und doch leidenschaftlich. Und als er von ihr ließ, sagte er nur: „Ich will dich ganz oder gar nicht. Denk darüber nach.“ Dann verschwand er so schnell, wie er aufgetaucht war.
* * *
Es war das erste Mal nach Jahrzehnten, dass Rita Hold wieder eine Kirche aufsuchte. Vielleicht konnte man ihr hier in Sachen „Ewigkeit“ weiterhelfen. Sie hatte das Gefühl, sich in einem riesigen Labyrinth verlaufen zu haben. Ihr ganzes Herz schien ein einziger Irrgarten zu sein. Konnte sie ohne Jason leben? Die Antwort lautete: Ja. Aber wie? Würde sie jemals wieder einen Menschen ertragen können? Oder würde sie ständig Vergleiche ziehen? Das wäre ungerecht. Sie war eine attraktive Frau Mitte Dreißig, hatte Karriere gemacht, sich bis zur Kommissarin hochgearbeitet und wofür das alles? Auf Kinder würde sie verzichten müssen, wenn sie sich für Jason entschied. Und auf den Tod auch. Jedenfalls auf einen Tod durch Altersschwäche.
Andererseits würde sie für immer jung bleiben, ihr Körper würde keine Gebrechen haben, sie würde miterleben, wie die Jahrzehnte und Jahrhunderte vergingen, wie die Menschen sich veränderten, wie alles um sie herum starb. Und überhaupt, was würde aus ihrem Job?
Sie würde höchstens noch zehn Jahre bei der Kripo Hamburg arbeiten können, dann würde es auffallen, dass sie nicht mehr alterte. Sie würde ständig neue Identitäten suchen müssen, um teilzuhaben an der menschlichen Gesellschaft. War es das alles wert?
Rita verbarg ihr Gesicht in beiden Händen. Sie kniete im Seitenschiff vor einer Marienstatue. Und sie hoffte, dass irgendjemand ihr einen Weg aus dieser Ausweglosigkeit würde zeigen können.
Sie wusste nicht, dass Jason ihr gefolgt war. Er spürte ihre Unsicherheit, ihre Ängste. Gotteshäuser schreckten die Hybridenvampire nicht mehr ab. Jetzt war er nur ein Schatten hinter einer Säule. Er sah ihre Tränen. Und obwohl er ihre Gedanken hätte lesen können, tat er es nicht. Er respektierte ihr Zwiegespräch mit Gott.
Auch Ritas Chef, Hauptkommissar Harald Welsch, hatte bemerkt, dass seine Partnerin in den letzten Tagen sehr unkonzentriert war. Sie sah blass aus. Welsch hatte sich bisher zurückgehalten, doch heute sprach er sie an. „Rita, ich sehe doch, dass es Ihnen nicht gut geht. Falls Sie reden möchten…“
Rita schüttelte den Kopf. „Schon gut, Chef. Das ist ein rein privates Problem.“
„Und das hat nicht zufällig mit unserem ‚Freund’ zu tun?“, hakte der
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