Lux perpetua
König. Jagiełło und Witold,
die man gefragt hatte, lehnten ab, an ihrer Stelle zog Korybut nach Böhmen. 1422, am Festtag des heiligen Stanislaus, zog
er ins goldene Prag ein.
Auf den Straßen der Hauptstadt war Jubel und Freudengeschrei zu hören. Eine wundervolle Begleitmusik zu Hochmut und Eitelkeit.
Aber diese Musik störten unversehens Aussetzer und Misstöne. Plötzlich hörte man es aus der Menge rufen: »Vagabund! Mach dich
fort von hier! Wir wollen dich nicht!« Enttäuschung und Wut kamen auf, als statt des Hradschin ein Adelshaus am Altstädter
Markt die Residenz des Königs wurde. Dann der Kontakt zu Tábor. Žižka, sein furchterregendes eines Auge und das unter dem
sich sträubenden Schnurrbart hervorgezischte: »Freie Menschen brauchen keinen König.« Prag wurde böswillig, bedrohlich, lauernd
und knurrend wie ein Tier.
Das dauert kaum ein halbes Jahr. Vom Papst unter Druck gesetzt, befiehlt Jagiełło seinem Neffen zurückzukehren. Als Korybut
Prag verlässt, hält niemand ihn auf, keiner weint ihm auch nur eine Träne nach. Aber das politische Spiel geht weiter. Eine
böhmische Delegation reist nach Krakau. Bittet, dass Korybut nach Böhmen zurückkehren möge, als
postulatus rex.
Jagiełło lehnt dies kategorisch ab. Aber Korybut kehrt zurück. Gegen den Willen des polnischen Königs. 1424, am Vorabend von
Mariä Heimsuchung, zieht er erneut in Prag ein. Dort sprechen sie ihn mit »Herr« an. Aber niemals mit »König«. In Polen gilt
er als ein niederträchtiger Verräter. In Böhmen istnicht ganz klar, was er ist. Aber Korybut möchte gern jemand sein. Er spinnt Intrigen. Schickt Boten und Briefe, 1427 kommt
es dann zur Katastrophe.
Als Augenzeuge der Prager Ereignisse von 1427 war Reynevan nicht in der Lage, Korybuts Beweggründe zu verstehen. Wie viele
andere hatte er den jungen Litauer als einen legitimen Anwärter auf die böhmische Königskrone betrachtet. Daher begriff er
nicht, was den zukünftigen König eines hussitischen Böhmens dazu gebracht hatte, sich auf verschwörerische Art mit Leuten
zu verbünden, die sich die Zukunft Böhmens ganz anders vorstellten, mit Leuten, die zu jedem Zugeständnis und jeder Vereinbarung
bereit waren, um nur wieder unter die Fittiche Roms und in den Schoß der Christenheit zurückkehren zu können. Später, durch
Gespräche mit Filou und Urban Horn, war Reynevan klüger geworden und hatte eingesehen, dass der junge Prinz ganz einfach eine
Marionette war. Eine Holzpuppe, deren Fäden nicht die zur Versöhnung bereite Partei, die katholischen Herren, zogen, sondern
Witold. Denn Witold, der Sohn Kynstutes, der Großfürst von Litauen, hatte Korybut nach Böhmen entsandt. Witold wollte zwar,
dass Böhmen hussitisch würde, weil er dadurch verhindern könnte, dass der Luxemburger erneut auf den Thron gelangte. Böhmen
sollte jedoch die Suprematie Roms anerkennen, damit der böhmische König vom Papst gesalbt werden konnte. Mit anderen Worten:
Es sollte ein Böhmen sein, in dem Witold, der Sohn Kynstutes, König werden und als solcher herrschen konnte. Der rechtmäßig
gekrönte König eines Landes, das von Brandenburg bis Brünn, von Kaunas bis Kiew, von Żmudź bis zur Krim reichte.
Jan Rokycana, ein erklärter Feind der auf Ausgleich bedachten, gemäßigten Partei, hatte die Verschwörung aufgedeckt, weil
er Briefe abgefangen hatte. Am Gründonnerstag des Jahres 1427 läuteten die Glocken, und eine von Rokycana aufgewiegelte Menschenmenge
strömte zum Alten Markt. Korybut, den man in seiner Königsresidenz aufgegriffen hatte, hatteGlück: Obwohl der Mob aufheulte und nach Blut schrie, wurde er nur gefangen genommen und ein paar Tage nach Ostern aus Prag
herausgeschmuggelt. In der Nacht und verkleidet, um ihn vor dem Erkanntwerden und Akten von Selbstjustiz zu schützen. Im Gefängnis
auf Schloss Wallenstein saß er bis zum Spätherbst 1428. Angeblich auf Intervention Jagiełłos hin freigelassen, kehrte er nicht nach Litauen zurück. Er blieb in Böhmen. In Odrau bei
Puchała. Als
. . .
Ja eben, dachte Reynevan. Als was?
»Du siehst mich an«, ließ sich Zygmunt Korybut vernehmen. »Und ich weiß, was du denkst.«
»Prokop beleidigt mich«, fuhr er nach einer Weile fort. »Seit seiner Ankunft hat er kaum ein paar Worte mit mir gewechselt.
Nicht einmal zwei Vaterunser lang hat das Gespräch gedauert. Sogar mit dem Burggrafen hat er sich länger unterhalten. Ja,
selbst mit den
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