Lux perpetua
Dolch in den Stiefelschaft. Rixa sah ihm schweigend zu.
»Das hat nichts mit dir zu tun«, sagte sie noch einmal. »Du musst dich da nicht einmischen und deinen Hals riskieren.«
Er sah ihr in die Augen.
»Du solltest mich nicht necken, wenn ich dich daran erinnern darf. Gehen wir.«
Die Magdeburger Inquisition ließ nicht lange auf sich warten, sie griff gleich nach Einbruch der Dunkelheit an. Vor dem Tor
des Hauses in der Bachgasse entglitten plötzlich konturlose Gestalten der Dunkelheit, so schnell, dass sie einem vor den Augen
verschwammen. Ein Sturmbock krachte laut gegen das Tor. Das Haus war gewappnet, es antwortete. Ein Knall, aus dem Türfensterchen
drang ein Feuerstoß. Die Gestalten gerieten in Aufruhr, jemand schrie. Der Sturmbock prallte ein zweites Mal gegen das Tor,
diesmal verkündete ein andauerndes Bersten von Holz den Erfolg. Rixa spuckte in die Hände und packte das Messer.
»Jetzt! Auf sie!«
Sie sprangen aus dem Durchschlupf hervor und stürzten sich auf die sich vor dem Tor drängenden Gestalten, die sich überrascht
auseinandertreiben ließen. Reynevan stach flink mit seinem Messer zu, Rixa hieb von oben mit ihrem Hackmesser drein. Schreie
und Flüche erfüllten das Gässchen.
»Hinein!«
Hinter den herausgesprengten Türbeschlägen war wieder das Knallen einer Büchse zu hören, Bleikügelchen pfiffen umher. Als
der Schuss aufblitzte, sah Reynevan dicht vor sich den Mann mit dem kahlgeschorenen Kopf und das zum Schlag erhobene Beil.
Er griff nach der Armbrust, die über seiner Schulter hing, schoss aus der Hüfte heraus, ohne zu zielen. Der Kahlkopf stöhnte
auf und fiel aufs Pflaster.
»Hinein!«
Die Angreifer hatten ebenfalls Armbrüste, und sie hatten auch Selbstzünder. Als er und Rixa in den Hof vordrangen, wurde es
plötzlich hell von Schüssen, Bolzen zischten durch die Luft. Der vom Lärm wie betäubte Reynevan stolperte über einen Leichnam
und fiel in eine Blutlache. Jemand rannte hinterihm her, stolperte über ihn und schlug fluchend und mit Getöse neben ihm hin. Reynevan zielte mit der Armbrust und stieß sich
flink ab, rollte geradewegs vor die Füße des nächsten. Dicht neben seinem Kopf knallte etwas Metallisches hart aufs Pflaster,
dass die Funken stoben. Er riss den Dolch aus dem Stiefelschaft, sprang auf und stieß so fest zu, dass sein Schultergelenk
knackte, die viereckige Klinge drang durch die Ringe eines Kettenhemdes. Der Angreifer heulte auf, fiel auf die Knie und ließ
einen schweren Eisenhaken auf Reynevan niedersausen. Dieser bekam das Eisen zu packen und hieb mit Schwung auf den Knienden
ein, er spürte und hörte, wie der Haken in den Schädelknochen eindrang.
»Reynevan! Hierher! Schnell!«
Im Innern des Hofes schrie jemand auf, röchelte und gurgelte. Reynevan sprang auf die Füße und rannte zum Hauseingang. Ein
Bolzen zischte knapp über seinem Kopf vorbei. Etwas knallte und blitzte, auf das Pflaster im Hof ergoss sich eine feurige
Lache, es stank nach verbranntem Fett. Eine weitere Flasche zerbarst an der Hauswand, das brennende Öl floss wie eine Kaskade
von den Simsen. Eine dritte explodierte auf der Treppe, die Flammen erfassten sofort zwei Körper, die dort lagen, das dampfende
Blut zischte. Vom Tor her kamen die nächsten Geschosse geflogen. Plötzlich wurde es taghell. Reynevan sah, dass hinter einem
Pfeiler des Laubenganges ein Bärtiger mit einer Fuchskappe kniete, das konnte nur der Herr des Hauses, Maisl Nachman ben Gamaliel,
sein. Neben ihm kniete ein Halbwüchsiger, der mit zitternden Fingern versuchte, eine Hakenbüchse zu laden. Hinter einem anderen
Pfeiler stand Rixa Cartaphila de Fonseca mit ihrem blutigen Messer und einem Gesichtsausdruck, der Reynevan schaudern ließ.
Hinter Rixa, einen Selbstzünder in den Händen
. . .
»Tybald Raabe? Du bist hier?«
»Duck dich!«
Vom Tor her kamen Bolzen geflogen, die den Putz von der Wand abschlugen. Der Halbwüchsige, der versuchte, die Hakenbüchsezu laden, schrie gellend auf und krümmte sich zusammen. Rixa zog sich vor dem prasselnden Feuer zurück, ihr Gesicht mit dem
Arm schützend. Reynevan zog den Jungen hinter die Mauer, Tybald Raabe half ihm dabei.
»Es sieht schlecht aus
. . .
«, keuchte der Goliarde. »Es steht schlecht um uns, Reynevan. Sie werden gleich vorrücken
. . .
Wir können sie nicht halten
. . .
«
Vom Tor her erklang, als wollte es seine Worte bestätigen, Kampfgeschrei, ein bösartiges Geheul. Der
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