Lux perpetua
darauf«, ein anderer stand auf, mit kurzen Locken rings um den Kopf, die aussahen wie ein
Schafsfell, »dass die Hussiten kommen und die Juden ihnen nachts die Stadttore öffnen, wie letztes Jahr in Frankenstein? Was,
das habt ihr nicht gewusst? Dann habt ihr vielleicht auch nicht gewusst, dass die Juden Glatz den Hussiten ausliefern wollten
und deshalb Feuer in der Stadt gelegt haben? Habt ihr nicht gewusst, dass Juda schon seit langem mit dem römischen König paktiert?
Hat euch euer Propst das in der Predigt nicht gesagt? Dass es eine Verschwörung gibt vom Satan, den Juden und den Hussiten?
Was? Das hat er nicht gesagt? Dann seht ihn euch mal gründlich an, euren Pfarrer. Seht euch an, was er tut, spitzt die Ohren
und hört, was er sagt. Es gibt genügend Abtrünnige unter den Geistlichen, mehr als einer ist den Einflüsterungen Satans erlegen!
Wenn ihr glaubt, dass mit euremPfarrer etwas nicht so ist, wie es sein soll, dann zeigt es an! Zeigt es sogleich der Obrigkeit an!«
Ab und an stand einer der Ortsansässigen auf und schlich sich leise zum Ausgang.
Die Gesichter der anderen zeigten auch keine große Begeisterung.
Die Redner bemerkten es.
»Feiglinge seid ihr und alte Drückeberger!«, rief der im geflickten Kittel. »Euch sollte man anzeigen! Denn wenn einer nicht
gegen die Juden ist und es offen mit dem Teufel hält, dann ist er selber wie ein Jude! Die Juden, sage ich euch, haben sich
den bösen Mächten ausgeliefert! Wer einem Juden die Hand reicht, wendet damit einen Christen vom wahren Glauben ab. Glaubt
ihr, es hätte Hus gegeben, wenn die Juden nicht gewesen wären? Wer, wenn nicht die Juden, ist den Einflüsterungen des Teufels
gefolgt und hat die Böhmen zur Häresie aufgewiegelt? Diese niederträchtige Hussitensekte richtet sich doch an nichts anderem
als am Talmud aus! Und stützt sich auf die Kabbala!«
»Gleich nach Satan«, echote der Lockenkopf, »gibt es für einen Christen keinen größeren Feind als die Juden. Sie erflehen
in ihren grässlich täglichen Gebeten unseren Untergang, mit ihren magischen Riten und Beschwörungen bitten sie darum, dass
Satan, ihr Vater und Gott, uns vernichten möge. Vor hundert Jahren haben sie uns durch den Schwarzen Tod ausrotten wollen.
Das ist ihnen nicht gelungen, Christus hat sich als stärker erwiesen. Deswegen haben sie sich jetzt die Hussiten ausgedacht.
Um uns Christen zu verderben!«
»Gehen wir.« Rixa stand auf und zog sich die Kapuze über den Kopf. »Ich habe das schon einmal gehört. Das kenne ich auswendig.
Schlegelholz, du hast uns nicht gesehen, klar? Ich war überhaupt nicht hier.«
Bevor sie sich bis zum Ausgang durchgedrängelt hatten, sprang ein dritter Redner, dessen Kopf kahlgeschoren war, auf die Bank.
»Ihr bleibt hier so ruhig sitzen, ihr Männer aus Jauer? Ihr habt wohl Pisse statt Blut in euren Adern, wenn ihr diese stinkenden
Judäer und ihr verfluchtes Gotteshaus in eurer Stadt duldet, wenn ihr Ketzer, Magier, Kinderschlächter und Giftmischer in
eurer Mitte duldet! Diebe und Wucherer, Blutsäufer wie diesen Erzjuden Maisl Nachman! Den hätte man schon längst erschlagen
müssen!«
»Na bitte, na bitte«, brummte Rixa. »Endlich mal was Neues, meine Geduld hat sich gelohnt. Ich weiß, wer das ist und warum
er das tut. Ich kenne den Kerl. Das ist ein Zisterzienser, der aus dem Kloster von Doberlug entlaufen ist. Der hat sich den
Kopf kahlgeschoren, damit man seine Tonsur nicht sieht. Der ist ein Agent der Inquisition. Es sieht ganz so aus, als würde
hier ein kleiner Aufstand angezettelt.«
»Die Inquisition? Unmöglich«, empörte sich Reynevan. »Gregor Hejncze würde sich doch nie so weit herabwürdigen
. . .
«
»Nicht Breslau. Magdeburg. Sieh nicht zu ihnen hin, erreg keine Aufmerksamkeit. Wir gehen hinaus.«
»Das hat nichts mit dir zu tun, Reynevan. Das ist nicht dein Krieg.« Rixa rückte ihr Kettenhemd zurecht und zog aus ihrem
Gepäck ein gekrümmtes Messer hervor, sie nahm es aus der Hülle und schwang es ein paar Mal hin und her, dass es zischte.
»Ich habe es überprüft, die Leute ausgefragt«, erklärte sie. »Es sind viele. Eine größere Bande ist von Magdeburg hierhergekommen.
Außer den Agitatoren auch Mörder. Insgesamt vierzehn Mann. Sie greifen an, sobald es dunkel wird.«
Reynevan öffnete seine Satteltasche, packte seine Jagdarmbrust aus und hängte sich den Köcher mit den Bolzen um. Er prüfte
sein Messer, schob zusätzlich seinen
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