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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Ohne überflüssiges Geschwätz, ohne, wie bei derartigen Anlässen üblich,
     Prahlereien über ihre Taten und ihre Überlegenheit. Mit dem Gefühl, ihre Pflicht erfüllt zu haben. Ein
sanctum et gloriosum opus,
das war es, was sie verrichtet hatten.
    Vor dem Hintergrund des sternenübersäten Himmels brannte der schwarze Block der Burgruine Sensenberg wie eine Fackel, Feuer
     schlug aus all ihren Fenstern.
     
    »Heute Nacht habe ich von einem Brand geträumt«, sagte Reynevan, während er seinem Pferd den Sattel auflegte. »Von einem großen
     Feuer. Ich möchte gern wissen, was ein solcherTraum zu bedeuten hat. Vielleicht besuchen wir vor unserer Abreise Meister Zbrosław noch einmal? Vielleicht kann er ja den
     Traum deuten? Vielleicht heißt es, dass wir uns beeilen müssen, wie bei einem Brand?«
    »Hoffentlich nicht.« Rixa zog den Sattelgurt fest. »Wir kommen auch ohne solche Deutungen zurecht, ohne Feuer und Brände.
     Besonders weil es ein heißer Tag zu werden verspricht.«

Vierzehntes Kapitel
    in dem Hostien bluten und sich Freunde begegnen. Und über die Stadt Bunzlau senkt sich die Nacht herab. Und wie bei Vergil
     umhüllt die Nacht alles, was lebt.
    Der neunte Juni Anno Domini 1429 begrüßte alle schon seit dem Morgengrauen mit Wärme, und bereits um die dritte Stunde des
     Tages herrschte eine fürchterliche Hitze, eine geradezu alles lähmende Glut. Die Einwohner von Gelnau, einem am Ende des Neißedurchbruchs
     gelegenen Dorf, die ständig und jeden Tag wieder sehr aufmerksam zu der sich im Süden erhebenden Warnkoppe aufblickten, lagen
     im Schatten, behaglich faul und allem gegenüber gleichgültig.
    Aus dieser Lethargie riss sie ein Schrei. Ein Schrei voller Entsetzen.
    »Das Signal! Das Signaaal!«
    Ein Bauer auf dem am weitesten entfernten Feld hatte geschrien. Er schrie und deutete auf die Warnkoppe, auf deren Gipfel
     eine schwarze Rauchsäule steil in den Himmel stieg.
     
    In Jemlitz, einem Städtchen südlich von Zittau, trippelte der Propst von St. Cyriakus durch das Mittelschiff seines Kirchleins
     und wischte sich mit der Albe über sein verschwitztes Gesicht. Er schwitzte, fluchte und schimpfte laut auf die Arbeiter,
     die das Wirtschaftsgebäude im Pfarrhof ausbesserten. Jetzt eilte er in die Sakristei, um sich in den kühlen Mauern ein wenig
     zu erholen. Häufig, ach, sehr häufig, vergaß er, auf dem Weg anzuhalten, vor dem Altar niederzuknien und sich zu bekreuzigen,
     und wenn er es tat, dann aus Gewohnheit und ohne groß darüber nachzudenken. In der letzten Nacht aber hatteein Traum den Propst heimgesucht, ein böser Traum, der zur Folge hatte, dass der Geistliche sich geschworen hatte, seine Pflichten
     nie mehr zu vernachlässigen.
    Er verharrte, kniete nieder. Und begann zu schreien. Mit einer solch schrecklichen Stimme, dass es die Arbeiter im Pfarrhof
     hörten und herbeigelaufen kamen.
    Der Altar war mit Blut bedeckt. Blut, das aus dem Tabernakel sickerte.
     
    Auf der Straße nach Zittau klapperten Hufe, dicht neben einem Wagen sauste ein reitender Bote vorbei und ließ eine große Staubwolke
     hinter sich. Der Holzfäller Hunsrück hatte aber noch für den Bruchteil einer Sekunde das schreckenverzerrte Gesicht des Reiters
     erblicken können. Er wusste sofort, was los war.
    »Jörg!«, brüllte er seinem Sohn zu. »Lauf durch den Wald zur Hütte! Die Mutter soll unsere Sachen packen! Wir fliehen! Die
     Böhmen kommen!«
     
    In einem einzigen Angstschrei vereinigte sich das Glockengeläut der Heilig-Geist- und der Peter-und-Paul-Kirche. Schuhe hämmerten,
     Eisen klirrte, Hundertschaftsführer schrien. Die Stadt bereitete sich auf die Belagerung vor.
    »Ganz vorn sind die Patrouillen«, meldete der von einem Erkundungsritt zurückgekehrte Ritter Anselm von Redern. »Dahinter
     eine Abteilung Berittener, an die dreihundert Pferde. Hinter den Berittenen eine Kolonne, zirka sechs- oder siebentausend
     Mann mit mehr als zweihundert Kampfwagen. Belagerungsmaschinen haben sie nicht dabei.«
    »Dann werden sie die Stadt auch nicht angreifen.« Luitpold Üchteritz, der Bürgermeister von Zittau, seufzte erleichtert auf.
     »Görlitz wird hinter seinen Mauern wohl auch ruhig schlafen können, scheint mir. Aber die kleinen Städte, die Vorstädte und
     die Dörfer werden wohl oder übel etwas abbekommen. Manche sogar schon zum zweiten Mal.«
    »In Ostritz«, Venantius Pack, der Abt der Franziskaner, rang die Hände, »decken sie gerade die Dächer mit neuen Ziegeln
. . .
Das

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