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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gloriosum opus.
Der Sensenberg und die schwarzen Reiter.«
    »Wir werden sie besiegen, denn wir kämpfen mit vereinten Kräften.« Egbert de Kassel stand auf und schlug mit der Faust auf
     den Tisch. »Im Bündnis liegt die Kraft! Auf denn und mit Gott! Wenn Gott mit uns ist, wer ist dann gegen uns?«
    » Si Deus pro nobis« ,
nahm Hejncze das Wort auf,
»quis contra nos?«
    »Kdy ž jest Bůh z námi« ,
fügte Horn lachend hinzu,
»i kdo proti nám?«
     
    Sie ritten los, ohne Zeit zu verlieren, auf dem Sprung, mit insgesamt fünfundvierzig Berittenen, die Schar aus Seifershau,
     die Waffenknechte des Inquisitors und die Söldner Horns. Sie ritten in Richtung Katzbachgebirge; an den Weg konnte Parzival
     sich nicht recht erinnern, weil er die ganze Zeit damit beschäftigt war, sein Zittern zu unterdrücken.
    Nach einiger Zeit ließen sie auch das letzte Dörfchen und die letzte Spur menschlicher Ansiedlungen hinter sich und befanden
     sich in einer öden Wildnis, einem Schlesien, das Parzival nicht kannte. Überzeugt vom vollständigen Triumph der Zivilisation,
     betrachtete er verwundert den uralten Wald, dernoch keine Axt gesehen hatte. Die steinige, unfruchtbare, von Schluchten durchzogene Wildnis, die wohl seit Jahren keines
     Menschen Fuß mehr betreten hatte.
    Und dann sahen sie es. Ein steiler, zerklüfteter Felshang. Den sich darüber türmenden Gipfel. Und auf dem Gipfel die Ruinen
     einer Burg, die mit ihren gezackten Schießscharten aussah wie eine Spielzeugritterburg aus dem Heiligen Land.
    Zur Burg hin führte eine gewundene Schlucht. An ihrem Eingang begrüßte sie das, was von denen, die vor ihnen hier ankamen,
     übrig war. Das martialische Gesicht von Egbert de Kassel überzog sich mit einer fahlen Blässe, auch die kampferfahrenen Waffenknechte
     erbleichten. Sie bekreuzigten sich, einige begannen laut zu beten. Parzival schloss die Augen. Trotzdem sah er es. Der Anblick
     hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt.
    Den Eingang zur Schlucht versperrte fast zur Gänze ein großer Haufen Knochen. Aber sie lagen nicht etwa wild durcheinander.
     Jemand hatte sich die Mühe gemacht und die Schädel, Beckenknochen, Oberschenkelknochen und mit den Rippen verflochtenen Unterschenkelknochen
     malerisch hindekoriert, zu einer Art Triumphbogen aufgetürmt. Der Übelkeit erregende Gestank bewies, dass die Konstruktion
     ständig erweitert wurde und erst vor Kurzem etwas Neues hinzugefügt worden war.
    Die Pferde wollten nicht weitergehen, sie begannen zu schnauben, seitwärts zu drängen und mit den Hufen aufzustampfen. Es
     ging nicht anders, man musste sie zurücklassen. Zu Fuß rückte die Truppe in der Schlucht vor. Herr de Kassel wies vier Knechte
     an, bei den angebundenen Pferden Wache zu halten. Unter dem Kommando eines Waffenknechts. Und Parzival von Rachenaus.
    Und daher bekam Parzival von Rachenau, formalrechtlich gesehen an der Erstürmung des Sensenberges beteiligt, von der eigentlichen
     Erstürmung nichts mit. Der Anblick des schrecklichen Todes von drei Knechten, die im Burgtor durch eine magische Falle mit
     griechischem Feuer übergossen wurden, bliebihm erspart. Er sah auch nicht, wie Horns Söldner nach schwerem Ringen vier schwarze Reiter im Burghof massakrierten. Auch
     nicht, wie die Knechte des Inquisitors, die bis ins alchemistische Laboratorium vorgedrungen waren, von einem monströsen Zwerg,
     Gnom oder einer anderen Höllengestalt attackiert wurden, der sie mit Flaschen voll zerfressender Säure bewarf. Nicht, wie
     das Ungeheuer endlich selbst bei lebendigem Leibe verbrannte, zur Revanche mit brennenden Fackeln beworfen.
    Parzival sah nicht den verbissenen Kampf, den de Kassel und die Seifershauer Waffenknechte mit den übrigen fünf Reitern führten,
     die sie im Rittersaal umstellt hatten. Er sah nicht, wie sie schließlich zerteilt und buchstäblich in Stücke gehauen wurden.
     Er sah nicht, wie ihr Blut die Wände und die darauf befindlichen Fresken bespritzte. Jesus, der zum zweiten Mal unter der
     Last des Kreuzes zusammenbrach, Moses mit den steinernen Gesetzestafeln, Roland im Kampf gegen die Sarazenen, den in Jerusalem
     einziehenden Gottfried von Bouillon. Und Parzival, der vor dem Gral kniete.
    Es war Abend, als die Truppe zurückkehrte. Inquisitor Hejncze. Urban Horn, die Hand verbunden. Egbert de Kassel, am Kopf verwundet.
     Und vierundzwanzig Männer. Von den sechsunddreißig, die mit ihnen ausgezogen waren.
    Sie ritten schweigend und nachdenklich ihres Weges.

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