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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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geworden
. . .
«
    »Sehenden Auges haben sie uns nicht gesehen«, bestätigte Reynevan und atmete tief durch, um seinen wilden Herzschlagzu beruhigen. »Dieses Amulett
. . .
Das habe ich nicht erwartet
. . .
Wenn es wirklich gut wirkt, wird es sie noch mehr in die Irre führen, sie werden glauben, sie hören uns
. . .
dort, wo wir nicht sind. Das kann gut sein, denn das war wirklich ein starkes Periapt
. . .
«
    »War?«
    Wortlos deutete er auf die Schnur. Ohne den Stein, der, als er aktiviert wurde, zu Pulver zerfallen war.
    »Ein Einwegamulett!« Rixa seufzte. »Wie lange wird der Zauber halten?«
    »Dort ist Grellenort«, er schauderte bei der Erwähnung dieses Namens, »geben wir uns also keiner übersteigerten Hoffnung hin.
     Lass uns fliehen, solange wir noch können. Lass uns in den Wäldern Schutz suchen.«
    »Lass uns die Richtung wechseln, um sie in die Irre zu führen.« Rixa steckte ihre verwuschelten Haare unter die Kapuze. »Sie
     werden auf den Wegen nach Bunzlau nach uns Ausschau halten. Sie werden glauben, wir machen einen Bogen und kehren dann auf
     die Straße zurück. Wir aber reiten genau nach Süden, so weit es nur geht
. . .
«
    »Unverzüglich.«
    Sie wandte sich im Sattel um.
    »Hast du das Mädchen gesehen? Diese Blonde?«
    »Ich hab’ sie gesehen.«
    »Das war Douce von Pack, Grellenorts Geliebte. Eine wahre Teufelin.«
    Nun fiel es ihm wieder ein. Der Burghof von Troský. Die Lanze, die den Tischlergesellen durchbohrt hatte. Augen von der Farbe
     eines Bergsees. Schön und absolut unmenschlich. Douce von Pack.
    »Lass uns reiten!«
     
    Sie ritten den ganzen Tag, so schnell es ging, ohne die Pferde zuschanden zu reiten. Und so schnell, wie das unwegsame Gelände,
     der dichte Wald, die Sümpfe, Schluchten und das Gestrüppaus verschlungenen, dornenbewehrten Ästen es zuließen. Sie ritten, sahen sich um und lauschten. Aber sie hörten nur das Hämmern
     der Spechte.
    Um das Tageslicht zu nutzen, hielten sie erst an, als die Dunkelheit ein Weiterreiten unmöglich machte. Sie übernachteten,
     ohne ein Feuer zu entzünden, auf einem halbwegs trockenen Hügel. Über den Wipfeln der Bäume leuchtete die Mondsichel, dünn
     wie ein Span.
     
    »Lass uns umkehren«, entschied Rixa. »Wir haben sie wohl endgültig abgehängt.«
    Sie ritten eine Zeit lang im Bett eines flachen Bächleins, das Rixas Meinung nach der Kleine Bober, ein linker Zufluss des
     Bober, sein musste. Der Kleine Bober sollte durch das an der
via regia
gelegene Thomaswaldau fließen. Rixa hielt es für besser, Thomaswaldau zu meiden, sie schlug vor, weiter nach Osten zu ziehen
     und den Weg zu suchen, der zum Dorfe Warthau führte. Reynevan verließ sich auf ihre Ortskenntnis. Er selbst kannte sich nicht
     aus. Zwar war er mit den Hussiten auf dem Kriegszug im Frühjahr 1428 hier gewesen, aber da hatte er keine Zeit gehabt, die
     Landschaft zu bewundern und sie sich einzuprägen.
    Dass in der Nähe eine Ansiedlung lag, vielleicht sogar Warthau, darauf deutete das Klappern der Störche und Hundegebell. Kurz
     darauf hörten sie das Rauschen eines Mühlrads. Dann erblickten sie die Mühle und den von einem Wasserlinsenteppich bedeckten
     Mühlteich. Die Hunde bellten immer noch.
    »Reiten wir hin oder machen wir einen Bogen darum?«
    »Wir reiten hin«, entschied Rixa. »Es sieht aus, als wäre es sicher. Bei der Gelegenheit fragen wir die Leute. Ich bezweifle
     zwar, dass Grellenort hierhergekommen ist, aber fragen schadet nicht.«
    Sie ritten zwischen Flechtzäunen und Beeten hindurch. Vorsichtig. Aber nicht vorsichtig genug.
    Am Rande des Dorfes stand eine große Eiche. An ihren Ästen baumelten vier Gehenkte. Einer, ein frisch Gehenkter, zappelte
     noch.
    Um die Eiche herum hatte sich ein Dutzend Bewaffnete versammelt, aber keine schwarz gekleideten, sondern bunt gewandete. Sie
     hatten sie sogleich bemerkt und sprangen mit lautem Geschrei auf sie zu. Reynevan und Rixa machten kehrt, nur um zu sehen,
     wie hinter der Mühle ein Ritter auf einem Pferd, das eine Schabracke zierte, in vollem Galopp auf sie zustürmte. In voller
     Rüstung. Mit geschlossenem Visier. Mit einem Turnierschild mit Wappen. Und mit eingelegter Lanze. Ein wahrer Amadis de Gaule.
     Oder ein anderer Ritter aus der Dichtung.
    Rixa entging dem Tod, indem sie sich seitlich aus dem Sattel fallen ließ, das wuchtige Ross des Lanzenreiters stieß mit ihrem
     Pferd zusammen und brachte es zu Fall; das Mädchen rollte über das Gras bis an den Rand des

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