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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wurde. Parzival machte sich darüber keinerlei Illusionen.
    »Es ist ein gutes Jahr für dich, Gregor«, sagte Horn, während er mit den Zähnen das Fleisch von der Ente riss, die er mit
     beiden Händen hielt. »Im März hast du Domarask festgenommen, und jetzt mich. Wo wir schon mal dabei sind, lebt Domarask eigentlich
     noch?«
    »Versuch hier nicht, die Rollen zu vertauschen, Horn.« Hejncze hob den Blick. »Ich werde dir die Fragen stellen. Seit vier
     Jahren träume ich davon, seit der Zeit, als du mir in Frankenstein entwischt bist.«
    »Solange das Glück mir hold war, hat es mir zugelächelt«,nickte Horn. »Aber jetzt hat es mich verlassen, und zwar gründlich. Gestern habe ich von einem toten Fisch geträumt, verdammt
     noch mal, der Traum bringt immer Unglück. Dass du mich gerade jetzt erwischen musstest, ist mein Pech und mein Untergang.
     Du hast dir angewöhnt, in mir den hussitischen Kundschafter zu sehen, es wird dich überraschen, aber diesmal bin ich in einer
     anderen Rolle nach Schlesien gekommen. Als Privatmann. In einer persönlichen Angelegenheit.«
    »Ach. Wirklich.«
    »Ich bin nach Schlesien gekommen«, Horn ignorierte den Spott, »um mich privat zu rächen. Interessiert es dich, um wen es dabei
     geht? Ich sage es dir: um Konrad, den Bischof von Breslau. Ist das nicht seltsam? Denn auch du, Gregor, bist mit dem Bischof
     über Kreuz. Wie lautet doch das Sprichwort? Der Feind meines Feindes
. . .
«
    »Horn«, der Inquisitor zielte mit dem Knochen der Entenkeule auf ihn, »lass uns eines klarstellen. Meine Querelen mit dem
     Bischof sind einzig und allein meine Angelegenheit. Aber der Bischof ist die höchste kirchliche Instanz in Schlesien, der
     Grundpfeiler des Gleichgewichts und ein Garant der Ordnung. Ein Anschlag auf den Bischof ist ein Anschlag auf die Ordnung,
     und in so etwas wirst du mich nicht hineinziehen. Versuch es erst gar nicht. Ich weiß, was du gegen den Bischof hast. Stell
     dir vor, ich habe den Fall der Schweidnitzer Beginen untersucht, ich kenne die Prozessakten und die Berichte von der Hinrichtung
     deiner Mutter. Ich kann Mitleid mit dir empfinden, mit dir zusammenarbeiten kann ich nicht. Vor allem, weil ich nicht ganz
     von deinen Absichten überzeugt bin. Du willst mir einreden, dass dich persönliche Motive leiten, dass es dir darum geht, mit
     dem Bischof abzurechnen, und du deswegen mit deinen Söldnern nach Schlesien gekommen bist. Für mich aber warst du, bist du
     und wirst du immer ein hussitischer Spion sein und zum Wohl unserer Feinde handeln. Dass du dies nicht tust, um die Welt zu
     verbessern, nicht für Hus und nicht, weil du damit gegen die Irrtümer, Auswüchse unddie Korruptheit Roms vorgehst, nicht, weil du zutiefst von der Notwendigkeit von Reformen
in capite et in membris
überzeugt bist, sondern nur, um deinen Rachedurst zu stillen, macht für mich keinen Unterschied. Auch nicht für einen einzigen
     von den hungernden Bettlern, die ich unterwegs gesehen habe und die auf den Ruinen und Brandstätten ihrer Dörfer sitzen. Du
     hast diese Dörfer verbrannt, Horn, du hast diese Menschen dem Elend und dem Hungertod ausgeliefert.«
    »Der Krieg dauert an«, entgegnete der Spion kühn, »und der Krieg, entschuldige die Banalität, ist nun mal grausam. Mach nicht
     mich dafür verantwortlich, Gregor. Ich könnte dir auch die verbrannten Weiler bei Nachod und Braunau zeigen, die Krüppel,
     die Brandstätten und die Gräber der Ermordeten, die die Straßen, auf denen die katholischen Kreuzfahrer dahinziehen, säumen!«
    »Die eine Banalität habe ich dir verziehen, die vom Krieg. Aber komm mir nicht mit weiteren.«
    »Gleichfalls.«
    Sie schwiegen eine Zeit lang. Schließlich warf Horn einem Hund die Überbleibsel seiner Ente zu, griff nach dem Becher und
     leerte ihn in einem Zug.
    »Lassen wir mal einen Moment den Bischof und das Wohl der Kirche beiseite.« Er stellte den Becher geräuschvoll hin. »Was sagst
     du zu Grellenort? Mein Anschlag galt nicht dem Bischof von Breslau. Der ist, darüber bin ich mir im Klaren, ein bisschen zu
     hoch für mich, ich will nicht nach dem Mond greifen. Das Ziel meines Anschlags sollte die geheimnisumwitterte Burg Sensenberg
     sein, Grellenorts Schlupfwinkel. Der Ort, an dem der Bankert des Bischofs Gott lästert, sich der schwarzen Magie und der Nekromantie
     ergibt, wo er seine Gifte und benebelnden Dekokten braut und wohin er Teufel und Dämonen ruft. Wo er seine Reiter zu Terroranschlägen
     aussendet und

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