Lux perpetua
Mantel. Der Mantel erregte Reynevans Aufmerksamkeit: Er war blau, von jenem unnachahmlichen Blauton, den sein ermordeter Bruder
Peterlin in seiner Färberei aus Waid und Blaubeersaft hergestellt hatte.
Der Bärtige und der feiste Priester blieben vor Kroměšín stehen und verneigten sich. Der Bärtige begann zu sprechen. Er sprach
so leise, dass Reynevan, Scharley und Samson, die zehnSchritte entfernt waren, nur jedes dritte Wort verstanden. Aber alle, sogar diejenigen, die weiter weg standen, begriffen,
worum es hier ging. Bunzlau ergab sich. Es bot Lösegeld, damit Tábor es verschonte. Die Einwohner vor dem Schwert und ihre
Häuser vor dem Feuer. Alle, selbst diejenigen, die sehr viel weiter weg standen, sahen, wie sich Kroměšíns Gesicht plötzlich
verfinsterte. Und sie hörten seine wütende Stimme. Wie das Gebrüll eines Löwen.
»Jetzt? Jetzt wollt ihr Lösegeld zahlen? Wo wir bereits in der Stadt sind? Spät, ihr Bunzlauer, spät! Gestern, als ich euch
aufgefordert habe, euch zu ergeben, habt ihr kühn von der Mauer heruntergebrüllt. Was habt ihr da gebrüllt, wisst ihr es noch?
War da nicht zufällig von Kratzau die Rede? Jetzt gebe ich euch euer Kratzau! Ihr werdet noch an mich denken, ihr Hunde!«
Der Bärtige wich einen Schritt zurück und erbleichte. Der feiste Priester hingegen schien dem Hetman ins Gesicht springen
zu wollen.
»Ich wusste«, schrie er, »dass es keinen Sinn machen würde, mit ihnen zu reden!
Excaecavit illos malitia eorum!
Pfui, Häretiker! Heiligenschänder! Verbrecher! Ihr werdet in der Hölle schmoren! Gottes Strafe wird auf euch herniedersteigen!«
Auf Kroměšíns Zeichen hin umringten die Taboriten die Gesandtschaft und drängten die Ratsherren gegen die Wand. Der Hetman
der Feldarmee stand vor ihnen und stemmte die Fäuste in die Hüften.
»Zuerst steigt sie auf euch hernieder«, sagte er. »Gleich. Ich werde euch in Gottes Namen bestrafen.«
»Bruder Smolik«, er wandte sich an den schmalgesichtigen Prediger, »sprich zu ihnen. Sie sollen, bevor sie dies irdische Jammertal
verlassen, die Stimme der göttlichen Wahrheit hören. Erlöst werden sie eh nicht, diese Hunde, diese Diener Roms, diese babylonischen
Knechte des Luxemburgers. Aber es wird ihnen dann leichter fallen, sich von dieser Welt zu verabschieden.«
Der Prediger straffte sich wie eine Saite und füllte seine Lungen mit Luft.
»Dies ist der Krieg des Herrn!«, rief er mit Piepsstimmchen. »Er hat euch in unsere Hände gegeben! Ihr habt das Brot des Unrechts
gegessen und den Wein der Gewalt getrunken, nun ist der Tag der Strafe angebrochen. Ihr habt gegen den Herrn gefehlt, daher
wird euer Blut wie Staub versprengt und euer Mark wird wie Schlamm sein. Du hast gesündigt, umstürzlerisches Volk, du hast
dich hochmütig erhöht, dich vor den lügnerischen Götzen Roms verneigt, also wird Gott dich bezwingen und dir den Kopf abschneiden,
so wie David es mit Goliath getan hat. Gott zermalmt die Köpfe seiner Feinde, den gelockten Schädel dessen, der in Sünde lebt!«
»Gut!«, lobte ihn Kroměšín. »Besonders die Stelle mit dem gelockten Schädel. Obwohl, das mit dem Mark war auch nicht übel.
Na, Jungs, habt ihr das gehört? Nehmt sie euch nacheinander vor, wie Gott es befohlen und Bruder Smolik angemahnt hat! So
wie David es mit Goliath getan hat!«
»Gnade!«, winselte der Bärtige in dem blauen Mantel, den sie aus der Gruppe hervorgezogen hatten. »Erschlagt uns nicht! Ihr
Christen! Erbarmen!«
Die Taboriten packten ihn, schleiften ihn zu einem Wagen und drückten seinen Hals auf die Deichsel nieder. Einer sprang herbei
und holte mit der Axt aus. Er musste zweimal nachbessern, währenddessen röchelte der Bürgermeister, und das Blut rann in Strömen.
Endlich fiel der Kopf auf das blutige Pflaster. Der um sich schlagende Priester wurde niedergeworfen und mit den Knien zu
Boden gepresst. Ein sechszölliger Nagel wurde gegen seinen Hinterkopf gedrückt. Und mit ein paar Schlägen mit dem Axtrücken
hineingetrieben. Der Priester schrie nur ein einziges Mal laut auf, dann zappelte er nur noch mit den Beinen.
Auf die am Rathausportal zusammengedrängten Ratsherrn prasselten Schläge herab. Man schlug sie mit Dreschflegeln, Kolben und
Äxten, zerhieb sie mit Schwertern und stach siemit Spießen. Man konnte das Vaterunser gerade einmal halb zu Ende beten, und schon zuckte ein Dutzend Körper in einer Blutlache.
Kroměšín machte wortlos ein Zeichen, und
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