Lux perpetua
Tábor jetzt?«
»Vor Bunzlau. Hörst du nicht? Das ist kein Gewitter, Reinmar, das sind Bombarden. Du wirst es bald selbst sehen, dahinführt uns nämlich unser Weg. Aber vielleicht hast du andere Pläne? Vielleicht hat auch die edle Dame, die uns unbekannt ist,
andere Pläne und Absichten? Die nicht sehr erbaut über unsere Gesellschaft zu sein scheint?«
»Ich bin Rixa Cartaphila de Fonseca. Meine Pläne und Absichten gehen niemanden etwas an. Und worüber sollte ich erbaut sein?
Etwa darüber, dass neben mir ein Dybbuk reitet?«
Sie drehte sich um und wies anklagend mit dem Finger auf Samson.
»Ein Dybbuk, ha!« Scharley lachte laut auf. »Das hast du nicht erwartet, Samson, hier hast du deine Meisterin gefunden. Sie
hat dich sofort erkannt. Ein Dybbuk, bei meinem Leben, jeder Zoll ein Dybbuk. Wenn ich daran denke, dass ich dich nur für
den Ewigen Juden gehalten habe!«
»Es tut mir leid, euch beide enttäuschen zu müssen«, entgegnete Samson Honig mit müder Stimme. »Ich bin kein Dybbuk. Und auch
nicht der Ewige Jude. Das wüsste ich, wenn ich es wäre.«
»Lasst uns ein wenig unter uns bleiben.« Scharley stellte sich in die Steigbügel und prüfte, ob jemand aus der Abteilung ihnen
zuhörte oder sich für sie interessierte. »Erzähle, Reinmar, was dir widerfahren ist. Und was dich hierhergeführt hat.«
Nachdem er alles gehört hatte, schwieg der Demerit lange. Von Nordwesten her wurde der Geschützdonner immer lauter.
»Die schwarzen Reiter haben sich auch Tábor zu erkennen gegeben«, sagte er schließlich. »Hinter Zittau haben sie uns vor vier
Tagen eine ganze
hlidka
entführt und getötet, zehn Leute, nur einem ist es gelungen, zu entkommen. Später dann haben wir einige von denen gefunden,
die sie verschleppt hatten. Sie hingen mit den Beinen nach oben an den Bäumen, jemand wollte sie unbedingt und um jeden Preis
zum Sprechen bringen. Anschließend hat man sie als Zielscheibe fürs Lanzenwerfen benutzt.«
»Edle Herrin«, er wandte sich an Rixa, »Ihr seid diejenige,die im Winter unseren Reinmar in Breslau gerettet hat. Und Ihr unterstützt ihn auch weiterhin, wie ich sehe, mit Rat und Tat,
mit der Kraft Eures Geistes und Eurer einnehmenden Persönlichkeit. Aus eigener Initiative? Oder auf jemandes Empfehlung hin,
wenn ich mir erlauben darf, danach zu fragen?«
»Ich ziehe es vor«, Rixa sah ihm eindringlich in die Augen, »Euch nicht zu erlauben, danach zu fragen. Ich frage nach nichts
und erwarte dasselbe.«
»Ich verstehe.« Scharley zuckte mit den Achseln. »Da dies hier aber eine Abteilung des Heeres ist, muss ich mir für unseren
Kommandeur Brus von Ronovic etwas einfallen lassen. Falls er Euch, Herrin, ein paar Fragen stellen möchte
. . .
«
»Ich weiß mir schon zu helfen. Du kannst mich Rixa nennen.«
Scharley gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte an die Spitze der Nachhut.
»Was gibt es in Rapotín, Samson? Marketka
. . .
«
»Alles in bester Ordnung.« Der Riese lächelte selig. »Wirklich in bester Ordnung. Besser, als ich es hätte erwarten können.
Und wohl viel besser, als ich es verdient habe. Sie wollte mich nicht mit Scharley ziehen lassen. Sie wollte auf keinen meiner
Einwände hören
. . .
«
»Hattest du denn Einwände?«
»Mehrere. Einer davon warst du. Rixa, musst du mich wirklich so mit deinen Blicken durchbohren? Dass du die Fähigkeit besitzt,
verborgene Dinge zu sehen, hast du doch schon bewiesen. Aber selbst wenn du noch so scharf guckst, wirst du keinen Dybbuk
finden.«
»Was werde ich dann finden? Ich kann übernatürliche Dinge sehen. Und du bist übernatürlich.«
»Einer meiner Bekannten pflegte zu sagen«, Samson lächelte immer noch, »dass es weder übernatürliche Dinge gibt noch übernatürliche
Erscheinungen. Einige Phänomene übersteigen ganz einfach nur unser Wissen über die Natur.«
»Das war der heilige Augustinus. Du kanntest ihn persönlich,wenn ich das recht verstehe. Und das wundert mich überhaupt nicht.«
»Du machst erstaunliche Fortschritte, Rixa.«
»Verspotte mich nicht, Dybbuk.«
Scharley sprengte heran und bedachte die beiden mit einem forschenden Blick.
»Was führt ihr denn hier für philosophische Dispute?«, knurrte er. »Samson? Die Böhmen fangen schon an herzusehen. Halt dich
gefälligst an dein übliches Inkognito!«
»Entschuldige, ich hatte mich vergessen. Etwa so? Das habe ich mir vor kurzem ausgedacht. Seht mal.«
Samson begann entsetzlich zu schielen. Er
Weitere Kostenlose Bücher