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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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er das, dann verschone ich ihn. Ich habe gesprochen.
     Empfehle mich. Bruder Carda, lass das Heer Aufstellung nehmen und abmarschieren.«
     
    »Marienstern«, wiederholte Rixa nachdenklich. »Das Kloster der Zisterzienserinnen. Das ist auf halbem Wege zwischen Görlitz
     und Bautzen. Von hier aus dürften es drei Tagesritte sein.«»Zwei, wenn man die Pferde sehr hetzt«, verbesserte Peter Preischwitz sie. »Auf der
via regia
, da reist es sich gut. Und ich muss zufällig in diese Richtung. Ich kann euch gern führen.« »Wir wollen keine Zeit verlieren«,
     entschied Rixa. »Noch vor Anbruch der Dunkelheit könnten wir wenigstens bis Naumburg kommen.«
    »Ich kann nicht«, antwortete Scharley auf Reynevans fragenden Blick. »Kroměšín hat recht, ich bin im Dienst. Tábor würde es
     mir nie verzeihen, wenn ich desertierte, und als Deserteur droht mir der Strick. Meine eigene Abteilung würde mich an einem
     Ast aufknüpfen.«
    »Aber ich komme mit«, erklärte Samson leise. »Dummköpfen ist alles erlaubt. Sie können mich nicht zum Deserteur machen, weil
     ich nicht unterschrieben habe. Ich habe Scharley als Inventar begleitet. Wenn er denen sagt, dass ich verschwunden bin, dann
     ist das etwa so, als wäre ihm sein Hund entlaufen.«
    »Geh mit Gott, Scharley.« Reynevan sprang in den Sattel. »Pass auf dich auf.«
    »Passt ihr auf euch auf. Ihr seid nur vier, und ich habe sechstausend Kameraden. Und zweihundert Wagen mit Artillerie.«
     
    Die Sonne ging unter. In Bunzlau roch es nach Brand, Flämmchen flackerten auf den Brandstätten. In Bunzlau gerann schwarzes
     Blut in den Rinnsteinen. In Bunzlau heulten die Hunde, einige von ihnen zerrten an den Körpern der Erschlagenen. In Bunzlau
     erklang das Stöhnen der Verwundeten und Sterbenden, das Weinen der Geschändeten und der Verwaisten, zuweilen übertönt von
     den Gebeten derer, die aller Hoffnung beraubt waren.
    Endlich ging die Sonne unter und die verwundete Stadt wurde still.
    Nox ruit et fuscis tellurem amplectitur alis.
Die Nacht brach herein und der Schlaf umfing alles Lebendige.
     
    Armer Reynevan.
    Er tut mir so leid, Marketka. Es tut mir so leid, dass ich ihm in seinem Unglück nicht helfen konnte.
    Das Kloster St. Marienstern hatten wir nach zwei Tagesritten erreicht. Nur um zu erfahren, dass Fräulein Jutta nicht dort
     war. Reynevan war äußerst niedergeschlagen. Und noch niedergeschlagener, als er erfuhr, dass Jutta dort gewesen ist. Drei
     Monate lang, von Mitte Februar bis Pfingsten. Sie hatten sich nur um zwei Monate verfehlt.
    Wir haben dann die Frauenklöster in der Umgebung abgesucht. Bei den Klarissen in Seußlitz, bei den Benediktinerinnen in Riesa,
     bei den Magdalenen in Lauban. In Görlitz haben wir die Zisterzienserinnen von Marienthal in Ostritz ausgefragt, die nach dem
     Brand ihres Klosters 1427 dorthin geflohen waren. Nirgendwo haben wir Jutta gefunden, niemand hat sie irgendwo gesehen. Reynevan
     war am Boden zerstört. Ich habe ihm nicht helfen können.
    Er tut mir so leid.
    Dir auch?
    Von der Lausitz sind wir nach Prag zurückgekehrt, Mitte August ist dann auch Scharley dort eingetroffen, wir haben ein wenig
     Zeit miteinander verbracht, aber kurz darauf ist Scharley zum Heer zurückgekehrt. Jetzt ist er irgendwo bei Jičín stationiert,
     es gibt Gerüchte über einen neuen Kriegszug in die Lausitz, nach dem Festtag des heiligen Wenzel soll es losgehen.
    Reynevan ist in Prag geblieben, in der Apotheke »Zum Erzengel«, er hat mit den Magiern dort versucht, Jutta mithilfe von Magie
     zu finden, vergebens. Dann ist in der Gegend von Psarz eine Seuche ausgebrochen, und er, Arzt aus Berufung, ist hingeeilt,
     um zu heilen. Nicht einen einzigen Moment hat er gezögert. Er hat sich gefangen und ist nicht der Verzweiflung erlegen. Es
     steckt viel Wahres in der Behauptung: Was uns nicht umbringt, macht uns stärker.
    Und ich?
    Ich habe beschlossen, hierher nach Rapotín zurückzukehren. Für lange? Für so lange, wie es möglich sein wird.
    Wie es weitergeht, fragst du? Ganz gewiss werden wir uns wiederbegegnen, wir drei, und ganz gewiss geschieht das bald. Das
     Schicksal hat uns fest miteinander verbunden, in guten und in schlechten Zeiten. Und nichts geschieht jemals ohne Grund.
    Das Schicksal hat mich fest mit ihnen verbunden, Marketka. Sehr fest.
    Fast genauso fest wie mit dir.

Fünfzehntes Kapitel
    in dem eine Charakterschwäche Reynevan dazu zwingt, ein Held zu werden. Die heroischen Helden setzen über den Fluss Mulde
    

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