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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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habe mich nach dir gesehnt. Los, packt sie!«
    Zwei Reiter rissen sie mit brutalem Griff vom Boden hoch. Sie waren ohne Helme, Jutta sah ihre Gesichter, bleich, silbrig,
     wie Leprakranke, Augen mit tiefen Ringen. Sie schienen geistesabwesend und hatten Schaum vor dem Mund. Plötzlich bekam sie
     es mit der Angst zu tun. In der erschreckenden Gewissheit, dass sie sich diesmal nicht würde retten können.
    Sie zerrten sie zur Wand eines zerfallenen Schuppens. Hier wartete schon Grellenort. Und ein blondes Mädchen mit tiefblauen,
     unmenschlichen Augen.
    »Ich hatte etwas anderes vor mit dir«, erklärte Grellenort. »Ich wollte dich nach Breslau mitnehmen. Sobald ich deinen Geliebten,
     Reinmar von Bielau, gefangen hätte, hätte ich ihn mit Gewalt mit den Stückchen gefüttert, die ich dir vor seinen Augen an
     verschiedenen Stellen deines Körpers herausgerissen hätte. Wenn man die Wunden kauterisiert, hätte man das gut und gern zehn
     Tage hinziehen können, und abschließen wollte ich das mit deinen inneren Organen tun. Aber die Zeit arbeitet nicht für mich,
     die Welt hat eine seltsame Wendung vollzogen. Daher müssen wir uns hier und jetzt voneinander verabschieden. Hier werde ich
     dich zurücklassen.«
    Zwei Reiter packten Jutta an Armen und Schultern und hoben sie so weit hoch, dass sie mit den Zehen knapp den Boden berührte.
     Douce von Pack riss ihr das Wams und das Hemd auf, entblößte ihren Hals und riss ihren Kopf an den Haaren in den Nacken. Der
     Mauerläufer kam näher und holte unter seinem Mantel eine längliche flache Schachtel hervor. Jutta war vor Angst fast einer
     Ohnmacht nahe, sie war nicht in der Lage, aus ihrem vor Angst wie zugeschnürten Hals auch nur einen einzigen Ton hervorzubringen.
     Als sie aber sah, was der Mauerläufer aus der Schachtel nahm, schrie sie auf. Sie schrie schrecklich und warf sich in den
     Armen derer, die sie festhielten, hin und her.
    Der Gegenstand, den er herausnahm, war eine getrocknete Pfote. Klein wie eine Kinderhand, aber mit absolut menschenunähnlichen
     langen Fingern, mit hakenförmigen Krallen versehen. Die trockene Haut der Pfote war von oben bis unten mit Löchern übersät,
     die an kleine Maulwurfshaufen erinnerten. Das waren Spuren von Fliegenlarven, die in dem sich zersetzenden Gewebe ausgekrochen
     waren und es völlig zerfressen hatten; nur die gespannte, vertrocknete Haut und das sehnendurchzogene Aas hatten sie übrig
     gelassen. Es war vertrocknet, stank aber immer noch schauderhaft nach Fäulnis.
    Der Mauerläufer trat näher. Jutta wünschte sich sehnlichst, sie möge ohnmächtig werden. Aber sie konnte es nicht. Wie hypnotisiert
     starrte sie ihn an.
    » Per nomen Baal-Zevuv, domini scatophagum.«
Der Mauerläufer hob die Pfote und näherte sich damit ihrem Gesicht.
» Per nomen Cthulhu, Tsathoggua et Azzabue! Per effusionem sanguinis!«
    Er kratzte mit der trockenen Pfote über ihren Hals. Bis aufs Blut. Sie wollte schreien, aber sie konnte nur krächzen. Er kratzte
     noch einmal. Und ein drittes Mal.
    »Iä! Azif!«
    Ein seltsames, zischendes Geräusch, ein Rascheln und Zirpen ließ sich vernehmen, als stamme es von Hunderten von Insekten
     und ihren Flügeln. Dies bewirkte, dass sich selbst einige der schwarzen Reiter zurückzogen. Der Mauerläufer brachte die Pfote
     dicht an Juttas Gesicht heran.
    » Adiungat Yersinia tibi pestilentiam!«
    Auf sein Zeichen hin ließen sie sie los. Sie fiel leicht, völlig entkräftet. Und nach einer Weile krümmte sie sich, sich übergebend.
    Er betrachtete sie eine Zeit lang. Dann nickte er seinen Leuten zu.
    »Es ist vollbracht«, sagte er. »Lasst uns reiten
. . .
Was ist?«
    »Hussiten!« Einer der Reiter kam im Galopp von den Zäunen herüber. »Eine große Abteilung! Sie sind ganz nah!«
    »Versteckt euch.« Der Mauerläufer deutete auf die Scheune und die Schuppen. »Wir warten ab. Gebt acht, dass keines der Pferde
     wiehert.«
    Wind kam auf, die Windmühle auf der kleinen Anhöhe knirschte und drehte ihre Flügel.
     
    Dietky, Bohu zpievajme,
    jemu čest , chválu vzdavajme . . .
     
    Auf dem Weg, der nahe an einem verlassenen Dorf vorbeiführte, zog mit Gesang eine Abteilung Berittener dahin, etwa hundertfünfzig
     Bewaffnete mit dem Kelch auf den Brustpanzern. An ihrer Spitze ritt Jan Zmrzlík ze Svojšína, der Herr auf Burg Orlík, in voller
     Rüstung und einem wappengeschmückten Wams, drei rote Streifen auf silbernem Feld.
    »Ein Dorf«, Fritzold von Warte, der Söldner, ein

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