Lux perpetua
bleiche Sonne im Zenit stand.
»Lasst uns anhalten
. . .
«, keuchte er, »und absteigen. Wir müssen den Pferden eine Verschnaufpause gönnen. Sie verfolgen uns wohl schon nicht mehr
. . .
Es scheint geklappt zu haben. Jutta
. . .
«
Die Stimme blieb ihm im Halse stecken. Veronika brach in Tränen aus.
»Sie reitet am besten von uns allen
. . .
«, stieß der Goliarde keuchend hervor. »Am besten
. . .
Sie schafft es
. . .
«
Veronika schluchzte jetzt herzzerreißend.
»Wir müssen Hilfe holen«, entschied Tybald Raabe. »Die Straße nach Kulmbach und Kronach ist nicht mehr weit, die Hussiten
müssen ganz in der Nähe sein. Veronika, hör auf, ich bitte dich
. . .
«
Veronika konnte nicht aufhören. Sie schluchzte bitterlich und sehr laut. Und obwohl Tränen meist vergeblich sind und wenig
nützen und auch die gegenwärtige Lage kaum verbessern, so war es doch diesmal anders. Es rauschte im Dickicht. Ein Pferd wieherte.
Auf der Lichtung erschienen vier Reiter.
»Reynevan!«, brüllte der Goliarde. »Scharley! Samson!«
»Gute Idee, zu weinen!«, sagte der Demerit, sie begrüßend. »Wenn Ihr nicht geweint hättet, wären wir vorbeigeritten.«
Tybalds Gesicht war, während er erzählte, leichenblass. Aber Reynevan bewahrte Ruhe. Entweder verstand er, dass er dem Goliarden
weder Klagen entgegenbringen noch Vorwürfe machen konnte, oder er hatte den Kopf weder für Klagen noch für Vorwürfe frei.
Dass Letzteres zutraf, zeigte sich daran, dass er sich, kaum hatte er Tybald zu Ende angehört, sofort wieder in den Sattel
schwang.
»Lasst uns reiten!« Tybald sprang ebenfalls auf. »Lasst uns ihr sofort zu Hilfe eilen! Ich zeige euch den Weg! Gebt mir ein
frisches Pferd, mein Pferd tut keinen Schritt mehr
. . .
«
»Was machen wir mit ihr?« Rixa zeigte auf Veronika, deren Gesicht vom Weinen ganz rot war und der immer noch der Rotz aus
der Nase lief.
»Sie kann mit uns reiten.«
»Nein!«, schrie Veronika von Elsnitz aus Leibeskräften. »Ich will nicht! Um nichts in der Welt! Ich habe genug, genug, ich
ertrag’ es nicht mehr! Ich will zurück in mein Kloster! Ich will in mein Klooosteeer!«
»Gut.« Tybald nickte zustimmend. »Ramusch bringt dich nach Cronschwitz. Mit Gott, Fräulein.«
»Rettet
. . .
Jutta
. . .
«
»Wir werden sie retten.«
Vor Jutta tauchten Zäune auf, sie versammelte das Pferd und setzte hinüber. Sie gelangte auf einen fest gestampften Weg, der
sich zwischen Häusern und Hütten eines verlassenen Dorfes hinwand. Zur Linken sah sie einen großen Speicher, zur Rechten,
auf einer kleinen Anhöhe, erschienen im Nebel die durchlöcherten Flügel einer Windmühle. Das Pferd keuchte, Mundstück und
Trense waren schaumbedeckt, der Hals des Tieres heiß, feucht und klebrig. Und die Verfolger ließen nicht nach, die Pferde
der schwarzen Reiter ermüdeten nicht, immer noch hörte sie hinter sich Hufgetrappel und Schreie.
Sie galoppierte zum Speicher hinüber, denn es schien ihr, als sei dahinter ein Gebüsch, das ihr für ein Weilchen ein Versteck
bieten konnte. Retten konnte sie nur noch ein Versteck. Bei einer Verfolgungsjagd hätte sie keine Chance mehr.
Sie nahm mit einem Sprung den nächsten Zaun, das Pferd landete fast auf der Hinterhand, es schien zu stürzen. Aber es rappelte
sich tapfer wieder auf.
Nur um gleich darauf aufzuschreien. Und einen Satz zu machen, so heftig, dass Jutta aus dem Sattel fiel. Aus dem Augenwinkel
konnte sie nur noch die Lanze sehen, die sich neben ihrer Wade in die Seite des Pferdes gebohrt hatte.
Sie fiel mitten in dürre Brombeersträucher, blieb für kurze Zeit an den stechenden, dornenbewehrten Ästen hängen. Als sie
sich schließlich völlig zerkratzt daraus befreite, war es schon zu spät. Die schwarzen Reiter umringten sie. Sie wandte sich
zur Flucht, geschickt zwischen ihren Pferden durchschlüpfend. Sie holten sie ohne Schwierigkeiten ein und stießen sie, sich
im Galopp vom Pferd herunterbeugend, um, so heftig, dass der Sturz auf die harte Erde ihr den Atem nahm und sie lähmte. Sie
lag auf dem Rücken und sah in den sich plötzlich verdunkelnden, mit Wolken überziehenden Himmel. Um sie herum schnaubten Pferde
und stampften Hufe.
»Fräulein Jutta de Apolda.«
Er blickte von der Höhe seines Sattels mit seinen Vogelaugen auf sie herab. Er lachte grausam auf.
»Lange haben wir uns nicht gesehen«, sagte er giftig. »Mehr als ein Jahr ist seit unserer Begegnung in Weißkirchen vergangen.
Ich
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