Lux perpetua
Diejenigen, die versuchten, dem Feuer zu entkommen, wurden mit Spießen niedergemacht.
In den Gassen, die zum Fluss hinunterführten, flossen Ströme von Blut. Durch den blutigen Schlamm stapfend, trieben die Hussiten
die Bevölkerung dort entlang.
Das Massaker hatte kein Ende.
Veronika war wieder zu sich gekommen, sie konnte schon wieder laufen. Und sie liefen. Was die Beine hergaben.
Vor dem Tor drängten sich die Menschen, verrückt vor Angst. Das Kämpfen dauerte an, Schreie und Flüche drangen aus einem nahe
gelegenen Stall. Tybald sprang hinein, ohne lange zu überlegen. Nach einer Weile erschien er wieder mit seinem anderen Gehilfen,
Paul Ramusch, sie führten vier widerspenstige Pferde mit sich. Von Ramuschs Wange tropfte Blut.
»In die Sättel! Und zum Tor! Zum Tor!«
Veronika, die gerade aufsaß, wurde von zwei Leuten angegriffen, schreiend klammerten sie sich an ihre Kleider und versuchten,
sie vom Pferd herunterzuziehen. Dem einen zog Tybald Raabe eins mit der Peitsche über, dem anderen trat Jutta mit dem Fuß
ins Gesicht. Nebenan drosch Ramusch mit seiner geflochtenen Peitsche auf den Pöbel ein, ihnen einen Weg bahnend. Veronika
zitterte, ihr Zähneklappern war lauter als der Lärm um sie herum.
»Zum Tor! Auf die Brücke!«
Glühende Hitze und Getöse verfolgten sie, die Furie des wütenden Elements. Ein Wind, der plötzlich aufgekommen war, hatte
das Feuer noch stärker entfacht. Keine drei Vaterunser waren vergangen, als die ganze Stadt Bayreuth in einem einzigen Flammenmeer
versank. Das Wasser des Wallgrabens glänzte wie ein feuerroter Spiegel. Vor den zum Himmel emporschlagenden Flammen jagten
Reiter vorüber.
»Den Pferden die Sporen!«, schrie Tybald Raabe, der sich umsah. »Reitet, was das Zeug hält!«
Sie flohen, die Pferde zu einem mörderischen Galopp zwingend.
Sie sahen sich nicht um.
Sie galoppierten am Ufer des Flusses entlang, der im Licht der Sterne funkelte. Sie blieben erst stehen, als die Pferde zu
wiehern begannen und der Waldweg im Dunkel versank.
Jutta, die plötzlich einen eiskalten Hauch im Nacken spürte, stellte sich in die Steigbügel und lauschte.
»Sie verfolgen uns«, sagte sie mit zitternder Stimme.
»Unmöglich
. . .
« Auch Tybald blickte sich um. »Ich höre nichts
. . .
«
»Wir werden verfolgt«, wiederholte Jutta. »Lasst uns reiten!«
»Wir werden die Pferde zuschanden reiten
. . .
«
»Ziehst du es vor, dass sie uns fertigmachen?«
Ein trüber und kalter Morgen zog herauf, als sich zeigte, dass Jutta recht hatte. Auf einem entfernten Berggipfel hoben sich
die Gestalten von Reitern ab. Durch den Nebel drang ihr ferner Schrei herüber.
» Adsuuumuuus!«
»Verdammt noch mal!« Tybald zügelte sein Pferd. »Das ist Grellenort! Galopp, ihr Mädchen, Galopp!«
Alle galoppierten wie wild, rasten den Hügel hinunter in ein dürres, nacktes Birkenwäldchen. Sie stürmten in eine Schlucht,
die Hufeisen klirrten auf den Steinen. Krachend brach das dünne Eis in den Pfützen.
»Galopp! Nicht nachlassen!«
» Adsuuumuuus!«
Hinter der Schlucht erstreckte sich ein gepflügter Acker, Schnee glänzte in den Furchen. Hinter dem Acker erhob sich bläulich
der Wald. Es bedurfte keiner Kommandos oder Aufforderungen.Sie beugten sich über die Mähnen und galoppierten wieder an. Unter den Hufen spritzte die Ackerkrume.
Aber die Verfolger waren nun schon dicht hinter ihnen, ihre Rufe machte ihnen bewusst, dass sie in Sichtweite waren. Jutta
sah sich um. Mehr als ein Dutzend Reiter ritten nebeneinander her. Einer führte sie an, ritt an ihrer Spitze. Sie wusste,
wer es war.
Sie gelangten in den Wald, drangen durch das Dickicht, gepeitscht von schneebedeckten Tannenästen. Und kamen direkt an eine
Weggabelung. Der eine Weg führte in eine Schlucht, der andere in einen anderen Wald.
»Wir müssen uns trennen!«, rief Jutta. »Das ist unsere einzige Chance! Ich in die Schlucht, ihr dort entlang!«
»Jutta! Neeeiiin!«
»Ich kann das nicht
. . .
«, keuchte der Goliarde. »Ich kann das nicht zulassen
. . .
. Ich reite
. . .
«
»Ich reite am besten von euch. Und ohne dich kommen wir nicht zu den Hussiten. Los!«
Es war keine Zeit, weder sich zu streiten, noch gefühlvoll Abschied zu nehmen. Jutta riss ihr Pferd herum und galoppierte
in die Schlucht.
Schon seit gut zwei Stunden hatten sie von ihren Verfolgern keinen Laut mehr gehört, trotzdem hatte Tybald Raabe erst gewagt,
das Tempo zu verringern, als die
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