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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ihn in Ruhe, Scharley.«
    »Hör zu, Parzival,
nomen est omen
.« Scharley beugte sich über den Verwundeten. »Heute hat dein Namenspatron, der heilige Parzival, über dich gewacht, die ganze
     geheiligte Tafelrunde, der heilige Georg und der heilige Mauritius. Wenn du überlebst, dann zünde in der Kirche ein paar Kerzen
     an und bitte deinen Vater, dass er ein paar Messen lesen lässt. Heute ist dir ein großes Glück begegnet, ein unverhoffter
     Zufall, größer, als wenn du den heiligen Gral gefunden hättest. Du bist diesem Medicus hier in die Hände gefallen. Wenn er
     nicht gewesen wäre, hättest du jetzt Augen und Mund voll mit frühlingsduftender Erde. Denk an diesen Medicus, Parzival. Und
     sprich manchmal ein Gebet für ihn. Wirst du das tun?«
    »Ja, Herr
. . .
«
     
    Mit vereinten Kräften, ziehend und schiebend, hievten sie den Verwundeten in den Sattel, Parzival von Rachenau stöhnte und
     wimmerte dabei wie ein Verdammter in der Hölle.
    Dann nahm Scharley Reynevan beiseite.
    »Von deiner Idee werde ich dich nicht abbringen können, nehme ich an«, sagte er. »Also frage ich dich wenigstens dies: Kannst
     du dein Vorhaben nicht aufschieben? Auf einen späteren Termin? Um zuerst gemeinsam mit mir den schwarzen Wagen auszurauben?«
    »Nein.«
    »Denk gut darüber nach. Dieser Fugger-Funktionär hat mir verraten, womit wir bei diesem Wagen rechnen können. Du müsstest
     dich nicht nach einem fremden Kloster umschauen. Du könntest dein eigenes gründen und Prior werden. Reizt dich das nicht?«
    »Nein.«
    »Tja, da lässt sich nichts machen! Dann zieh los. Mein Rat Nummer eins: Die Armee des Herzogs von Oels steht ganz sicher an
     der Grenze bei Peiskretscham und Tost, aber die Patrouillen sind bestimmt schon in der Gegend des niedergebrannten Rudki,
     sie orientieren sich am Rauch. Bring Parzival dorthin und lass dich nicht erwischen.«
    »Ich werde mir Mühe geben.«
    »Mein Rat Nummer zwei: Wende dich Richtung Osten, der polnischen Grenze zu, setze über die Przemsa, so schnell du kannst.
     In Polen bist du sicherer als in Schlesien.«
    »Ich weiß.«
    »Mein Rat Nummer drei betrifft deine künftige Karriere als Mönch. Wenn du dich wirklich zu solch einem radikalen Schritt entschließt,
     dann achte auf die praktischen Aspekte. Klöster und Konvente sind keineswegs ein öffentliches Asyl für Landstreicher und Herumirrende,
     und schon gar keines für Verbrecher oder solche, die vom Gesetz verfolgt werden. Sonst könnte jeder Räuber Matz auf die Strafe
     pfeifen, sich in einen Bruder Matthäus verwandeln und sich hinter der Klosterpforte über die Gerechtigkeit lustig machen.
     Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich dir, mein Freund, nur sagen, dass es um vieles schwerer ist, hinter diese Pforte zu
     gelangen, als wieder hinauszukommen. Kurz gesagt, ohne Beziehungen bewirkst du hier gar nichts.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Siehst du«, erklärte ihm Scharley in aller Ruhe, »ich habe da, wenn es dich interessiert, gewisse Beziehungen. In Polen.
     Zehn Meilen hinter Wieluń
. . .
«
    »Wieluń
. . .
«, Reynevan schüttelte den Kopf, »das ist ein bisschen zu nah.«
    »Zu nah? Was würde dir denn besser passen? Vielleicht Drohiczyn? Oder Witebsk? Noch weiter ist nur noch
Ultima Thule.
Aber bis dorthin reichen meine Beziehungen nicht. Mäkele nicht herum, Reynevan. Hör zu: Zehn Meilen hinter Wieluń an der Warthe
     liegt Sieradz, die uralte Siedlung des lechitischen Volkes der Sieradzanen, heute Hauptstadt der gleichnamigen Woiwodschaft.
     Dort ist ein Kloster der Wächter vom Heiligen Grabe, die in Polen Miechowiten genannt werden. Nun fügt es sich so, dass ich
     seit 1418 hervorragende Beziehungen zum Propst dort habe. Die Vorstände der Filialklöster heißen bei den Miechowiten Pröpste
     und die Klöster Propsteien. Der Propst von Sieradz heißt Wojciech Dunin. 1418 hieß er noch Adalbert Dohnin und war noch kein
     Propst. Weil ich ihm geholfen habe, kann er sich, kurz und gut, noch immer seines Lebens erfreuen. Er steht in einer gewissen
     Schuld
. . .
«
    »Sag’s doch geradeheraus. Es geht um die Breslauer Revolte vom achtzehnten Juli 1418.«
    »Ich sag’s geradeheraus«, Scharley blinzelte, »ja, darum geht’s. Die Jahre vergehen, aber diese Geschehnisse hängen mir immer
     noch nach. Und sie werden es auch weiterhin tun, wenn du bei deinen Überlegungen berücksichtigen wolltest, dass auch die Fugger
     davon wissen.«
    »Verdammt. Deshalb hast du also von den Kosten

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