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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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malerischen Einzelheiten geschildert hatten.
    Und nun ritten zu Reynevans nicht geringem Erstaunen die Hingerichteten ganz unbekümmert das grüne Tal der Przemsa entlang.
     In einer anderen Situation hätte Reynevan vielleicht Verdacht geschöpft, vielleicht hätte er es sich dann zweimal überlegt,
     sich dieser verdächtigen Gruppe von Männern anzuschließen. Aber die Situation war eine andere. Sie war, wie sie war.
    Im Westen, in der Gegend von Gleiwitz und Beuthen, stiegen schwarze Rauchsäulen zum Himmel empor. Aber in den Dörfern, durch
     die sie kamen, war nichts zu sehen, was auf Panik hindeutete, und auf den Straßen waren keine Flüchtlinge. Die Bevölkerung
     vertraute sichtlich ihren Herzögen, Konrad dem Weißen und Kasimir von Auschwitz, vertraute darauf, dass diese ihr Leben und
     ihre Habe schützen würden, hatten sie doch eigens zu diesem Zweck Steuern aus ihnen herausgepresst. Was auch immer sie damit
     wirklich vorhatten, die Herzöge wirkten vertrauenerweckend.
    Je weiter es nach Norden ging, umso stärker machte sich die Anwesenheit von Truppen bemerkbar. Alle naselang hörte man irgendwo
     Trompetengeschmetter, mehrmals tauchte am Horizont bewaffnete Feldpost auf, mit flatternden Wimpeln dahinpreschend.
    Die Kavalkade Fedor von Ostrogskis bewegte sich auf wenig befahrenen Wegen und Pfaden, und so trafen sie denn auch zwei Tage
     lang auf keinen Heerhaufen und keine Patrouille. Das Risiko bestand jedoch die ganze Zeit über. Obwohl er sich selbst aufgegeben
     hatte, war Reynevan innerlich unruhig.Wenn Soldaten sie zu fassen kriegten, würde man sie am erstbesten Ast aufknüpfen, und der Gedanke, die Welt auf diese ganz
     bestimmte Art zu verlassen, gefiel ihm überhaupt nicht.
    Die Kumpane des Fürsten schienen sich über das eingegangene Risiko lustig zu machen. Ostrogski und seine Kameraden ließen
     ihre Pferde gemächlich im Schritt gehen, gähnten oder schlugen ihre Langeweile mit blödsinnigem Gerede tot.
    »Seht doch mal, Leute«, Jakub Nadobny wandte sich im Sattel um, »wir ziehen dahin, als wären wir der Sage entsprungen. Die
     drei slawischen Brüder! Lech, Rus und Tschech!«
    »Lech, Rus und Deutschmann.« Fedko Ostrogski verzog das Gesicht. »Wo du siehst hier Tschech?«
    »Reynevan hält es mit den Böhmen. Und er kann Böhmisch.«
    »Fedko kann sich auf Ungarisch verständigen und ist trotzdem kein Ungar«, rief Skirmunt von hinten. »Und Reynevan ist kein
     Deutscher, sondern ein Schlesier.«
    »Schlesier«, Fedko spuckte aus. »Heißt, nicht dies, nicht das. Mehr Deutscher.«
    »Und du selbst«, fragte Kuropatwa Reynevan, »für wen hältst du dich?«
    »Macht das für euch einen Unterschied?« Reynevan zuckte mit den Achseln.
    »Keinen«, stimmte Kuropatwa zu.
    »Na«, freute sich Nadobny, »ich hab’s doch gesagt, Lech, Rus und keinen Unterschied.«
     
    »Du, Nadobny, wie war das mit deinem Bruder Hińcza? Hat er wirklich die Königin Sońka gevögelt?«
    »Das ist nicht wahr!«, empörte sich Nadobny. »Lüge und üble Nachrede! Obwohl er unschuldig ist, hat ihn Jagiełło in Chęciny
     eingesperrt. Deshalb bin ich Korybut nach Böhmen gefolgt, um dem König eins auszuwischen. Für das Unrecht, das er ihm zugefügt
     hat, dass er ihn dort unten im Loch wie einen Hund verfaulen lässt.«
    »Schwindelst du auch nicht? Es hieß, Hińcza habe auf dem Wawel herumgevögelt.«
    »Er hat herumgevögelt«, gab Nadobny zu. »Aber nicht mit der Königin, sondern mit ihrer Hofdame. Mit der Szczukowską.«
    »Mit welcher?«, fragte Kuropatwa, der auf dem Laufenden zu sein schien, neugierig. »Mit Kaśka oder mit Eliszka?«
    »Wenn ich es recht bedenke«, sagte Nadobny nachdenklich, »dann wohl mit allen beiden.«
     
    Am nächsten Tag gelangten sie nach Lublinitz, einem kleinen Städtchen an der Straße von Siewierz nach Rosenberg, einer wichtigen
     Route für den Handel zwischen Schlesien und Kleinpolen. Die Kumpane rieben sich die Hände und verliehen, an die Schenken von
     Lublinitz und das dort gebraute Bier denkend, ihrer Freude lauten Ausdruck, aber zur allgemeinen Enttäuschung befahl Fedor
     Ostrogski, weitab von dieser Ansiedlung Rast zu machen, und verbot ihnen strikt, dort aufzutauchen. Er begab sich allein in
     das Städtchen, nur von Jan Kuropatwa begleitet. Gegen Abend, als schon die Dunkelheit hereinbrach. Nachdem er angekündigt
     hatte, beim Morgengrauen zurückzukehren.
    Zunächst kümmerte Reynevan die Sache wenig. Fürst Ostrogski war schließlich ein verwegener

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