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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Krieger. Er wollte sich leise entfernen, damit sie ihn nicht bemerkten. Aber es war schon zu spät.
    Aus der kleinen Scheune kam ein Mann in einer Brigantine, der einen Arm voll Heu trug. Als er Reynevan sah, ließ er das Heu
     fallen und begann zu schreien. Aus der Scheune kam ein anderer, dem ersten so ähnlich wie ein Zwilling, beide rannten mit
     Gebrüll auf ihn zu. Reynevan riss die an seinem Gürtel befestigte Armbrust an sich, packte die Kurbel und begann die Winde
     zu drehen. Das Zahnrädchen knirschte schauerlich, etwasknackte, die Kurbel brach ab und der Spannhebel barst. Seine Armbrust, in Nürnberg gefertigt, von Polen nach Böhmen geschmuggelt
     und von Scharley für vier ungarische Dukaten erstanden, war zerbrochen. Das ist das Ende, ging es ihm durch den Sinn, als
     er seinem Pferd die Sporen gab, das Ende, dachte er, als sie ihn aus dem Sattel zerrten. Das war das Ende, da war er sich
     ganz sicher, als er, zu Boden gedrückt, einen Kneif aufblitzen sah.
    »Holla, holla! Lasst ihn gehen! Lasst ihn los! Das ist einer von uns! Ein Bekannter!«
    Das kann doch gar nicht sein, dachte Reynevan, reglos daliegend und in den Himmel starrend. Das gibt es doch im Leben nicht.
     So etwas geschieht nur in Ritterromanzen, und selbst da nicht in allen.
    »Reynevan, bist du noch ganz?«
    »Jan Kuropatwa? Von Łańcuchowo? Vom Wappen Śzreniawa?«
    »Der bin ich. O Reynevan, du siehst gar nicht gut aus. Ich hätte dich beinahe nicht erkannt.«
     
    Unter Kuropatwas Begleitern befanden sich auch noch andere Bekannte. Jan Nadobny, Jan Tłuczymost sowie der Litauer Skirmunt.
     Und der Anführer der ganzen Kumpanei, der russische Raufbold und Räuberhauptmann Fürst Fedor von Ostrogski, den er sich gut
     eingeprägt hatte. Der durchbohrte Reynevan feindselig mit einem stechenden Blick seiner schwarzen Augen.
    »Was lässt du Augen von eine Gesicht zu andere wandern?«, fragte ihn der Fürst. »Guckst du nach Bojar Danilko, was du hast
     in Odrau mit Messer gestochen? Guckst du vergeblich. Slowaken haben erschlagen ihn. Herrgott, ist dein Glück, weil er war
     rachsüchtig. Ich nicht rachsüchtig. Hast du damals in Odrau Schlimmes getan, sehr schlimm. Vergebe ich dir als Christ. Lass’
     dich frei, such’ nicht Streit mit dir. Aber zuerst, wir trinken auf Versöhnung. Dawaj, Met, Mikoschka!«
    »Nu also, zum Wohl!«
    »Zum Wohl!«
    »Und du, Reynevan?« Kuropatwa wischte sich den Schnurrbart ab. »Wohin führt dich dein Weg? Ich frage, weil wir vielleicht
     zusammen reisen könnten.«
    »Ich ziehe nach Norden.« Reynevan wollte nicht zu aufrichtig sein. Aber der Pole ließ sich nicht in die Irre führen.
    »Wohin genau?«
    »Wieluń.«
    »Ha! Wir wollen doch auch in diese Richtung. Reite mit uns, in der
comitiva
ist es immer lustiger. Und sicherer. Was, Fedko? Nehmen wir ihn mit?«
    »Mir ist gleich. Wenn will, soll mitreiten. Zum Wohl!«
    »Zum Wohl!«
     
    Sie ritten nach Norden, durch das grüne Tal der Przemsa. Fürst Fedor Fedorowitsch Ostrogski von Ostrogo, der Sohn des Starosten
     von Luck, führte sie an. Hinter ihm ritt auf seinem herrlichen Schimmel Jan Kuropatwa von Łańcuchowo vom Wappen Śzreniawa.
     Dahinter Jakub Nadobny von Rogowo, vom Wappen Działosz. Der irgendwo aus Großpolen stammende Jan Tłuczymost vom Wappen Bończa.
     Jerzy Skirmunt, der Litauer, aus einer Familie, der erst vor kurzem die Ehre widerfahren war, ins Wappen Odrowąż aufgenommen
     zu werden. Achacy Pełka vom Wappen Janina, aus dem die anderen, um ihn zu ärgern, fortwährend Słonina, also Speck, machten.
     Die Brüder Melchior und Mikosz Kondzioł von einem eher zweifelhaften Wappen, ebensolcher Herkunft und entsprechendem Benehmen.
    Reynevans Seelenzustand brachte es mit sich, dass ihm dies ganz einerlei war, ihn ging vieles recht wenig an. Aber Ostrogskis
     Erscheinen hatte ihn doch ein wenig überrascht. Er hatte Geraune und Gerüchte vernommen, denen zufolge der Fürst zum wer weiß
     wievielten Male die Hussiten verraten und seine Dienste König Sigismund, dem Luxemburger, angeboten habensollte; das musste etwa ein Jahr zuvor gewesen sein, also kurz vor jenem heftigen Zusammenstoß in Odrau, als sie die Messer
     gezückt hatten. Die Fama berichtete, der Luxemburger habe Fedko für einen Provokateur gehalten und befohlen, ihn mit seiner
     ganzen Bande einzusperren. Ja, es war sogar von einer Exekution auf dem Marktplatz von Preßburg die Rede gewesen, und es hatten
     sich Augenzeugen gefunden, die die Hinrichtung in

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