Lux perpetua
kommen,
ein halbes Viertel eines Jahres herrschen, sich in Jerusalem einen Tempel erbauen, die Könige gewaltsam unterdrücken, die
Heiligen verfolgen und die Kirche Gottes vollständig zerstören werde. Bezeichnen werden sie ihn laut Prophezeiung in der Offenbarung
mit der Zahl 666, und das werden sein die Namen Evanthas, Lateinos und Teitan. Der Märtyrer Hippolyt von Rom belegte jene
Zahl 666 mit den Namen Kakos, Olicos, Alittis, Blaueros, Antemos und Genesiricos. Auch mit dem türkischen Namen Mahometis
belegte er sie, dem die 666 ebenfalls zugehörig ist, in griechischen Lettern, den Zahlen nach zu urteilen. Und man kann noch
weitere Schlussfolgerungen ableiten, wenn man von der Zahl 666 die Anzahl der Fische subtrahiert, die Petrus aus dem See von
Tiberias gefischt hat, dann mit der Anzahl der Seeleute auf dem Schiff, mit dem Paulus nach Italien gesegelt ist, multipliziert
und dann diese Zahl durch die Länge der Bundeslade im Gotteszelt laut Exodusdividiert, denn dann erhält man in kappadokischer Sprache eindeutig ›Ioannes Hus Apostata‹. Hierin zeigt sich die grenzenlose
Unverschämtheit jener Häretiker, die Hus verehren. O ihr elenden Abgesandten des Antichristen! Der Antichrist benutzt euch
dazu, seine Geheimnisse in euch zu verwirklichen, wenn ihr die Sakramente und die Opferungen verwerft; wenn ihr Gott, die
Heilige Dreifaltigkeit und die Allerheiligste Jungfrau lästert und die Göttlichkeit des Gottessohnes leugnet, um sie auf den
Antichristen zu übertragen, wenn ihr Feindschaft, Verbrechen und Schande sät und die heiligen katholischen Wahrheiten mit
Füßen tretet. Gott! Erbarme dich unser!«
Der Schreiber ließ den Bogen sinken, beäugte ängstlich das Gesicht von Bischof Konrad, dem jedoch nach wie vor kaum etwas
zu entnehmen war.
»Gut«, befand der Bischof schließlich zur Erleichterung des Schreibers. »Wirklich recht gut. Da bleibt nicht mehr viel zu
verbessern. Dort, wo von den elenden Hussiten die Rede ist, füge noch hinzu: ›O ihr Böhmen, ihr seid eine nichtswürdige slawische
Nation!‹ Nein. Nein. Besser ›abscheuliche und nichtswürdige‹
. . .
«
»Abscheuliche, nichtswürdige und verachtenswerte«, verbesserte der Mauerläufer. »So ist es am besten.«
Der Schreiber erbleichte, er wurde so weiß wie das Papier, das er in der Hand hielt, denn er sah das, was der ihm den Rücken
zuwendende Bischof nicht sah. Nämlich, dass ein Vogel, der auf dem Fensterbrett saß, sich in einen Menschen verwandelte. In
einen schwarzhaarigen, schwarz gekleideten Menschen, mit der Physiognomie eines Vogels. Und dem Aussehen eines Dämons.
»Schreib die Predigt noch einmal ab.« Der schroffe Befehl des Bischofs riss den Schreiber aus seinem Grauen und brachte ihn
zur Erde zurück. »Wenn du sie noch mal abgeschrieben hast, gib sie in die Kanzlei, sie sollen sie vervielfältigen und in die
Kirchen tragen, für die Predigten der Pfarrer. Geh.«
Der Schreiber presste sein Werk gegen den Oberkörper, verbeugtesich tief und bewegte sich im Krebsgang auf die Tür zu. Bischof Konrad seufzte tief, nippte von seinem Wein und winkte dem
Knappen, ihm nachzuschenken. Dem kleinen Knappen zitterten die Hände, der Hals der Karaffe senkte sich klirrend auf den Rand
des Kelches herab. Der Bischof schickte ihn mit einer Handbewegung fort.
»Du hast dich lange nicht mehr gezeigt.« Er wandte sich zum Mauerläufer, sobald sie allein waren. »Bist lange nicht mehr zum
Fenster hereingeflogen, hast mir lange nicht mehr die Dienerschaft erschreckt und auf diese Weise Gerüchte aufkommen lassen.
Ich habe fast schon begonnen, mir Sorgen zu machen. Wo warst du, mein Sohn, was hast du getrieben? Lass mich raten: Du hast
auf dem Sensenberg satanische Bücher und Grimuarien studiert? Du hast dich mit Haschisch und Fliegenpilzgift zugedröhnt? Den
Satan kommen lassen? Dämonen verehrt und ihnen Menschenopfer dargebracht? Gefangene in ihren Zellen ermordet? Du hast deine
Diener, deine berühmten schwarzen Reiter auf dem Schlachtfeld verloren? Du hast Verräter entkommen lassen und Spionen erlaubt,
uns an der Nase herumzuführen? Also, mein Sohn, erzähle. Berichte. Renommier damit, welche meiner Befehle und Anweisungen
du in letzter Zeit missachtet hast! Womit du mir wieder mal meinen Ruf verdorben hast!«
»Bist du fertig, Väterchen?«
»Nein, mein Sohn, ich bin noch nicht fertig mit dir. Aber glaub mir, es reizt mich schon sehr, endlich mit dir Schluss zu
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