Lux perpetua
könnt Ihr mich nicht erschrecken.« Der Bischof lachte auf. »Ein Tannenberg gelingt denen nur einmal in hundert
Jahren. Und selbst wenn es ihnen gelänge, dann könnten sie es sich nicht zunutze machen. Ungeachtet ihres Einsatzes und ihres
Erfolgs bei Tannenberg gibt es den Deutschen Orden immer noch, er ist nach wie vor mächtig, und Polen muss stets mit ihm rechnen.
Der Orden schützt uns alle, die ganze Nation und das ganze Deutsche Reich. Polen hätte sich schon längst mit den Hussiten
verbündet und ihren Schutz gewährleistet, würde es den Orden nicht fürchten und die Strafe, die der Orden dem arglistigen
Polen in einem solchen Fall erteilen würde. Die beste Art, diese böhmische Seuche auszurotten, ist, die Quellen trockenzulegen,
aus denen die Böhmen ihren Nachschub beziehen. Jagiełło unterstützt die Häresie, und das tut er nicht gerade heimlich, obwohl
er dem Papst und Europa die Augen zuhält. Der Legat ist nicht deshalb mit langer Nase aus Polen abgezogen, weil sich Sigismund
und Witold nähergekommen sind, sondern weil Jagiełło einen Kreuzzug nie auch nur ernsthaft in Erwägung gezogen hat und auf
die päpstliche Bulle pfeift. Polen hat andere Pläne, Herr von Langenreuth, ganz andere. Seine Absicht ist es, uns wie auch
die Ketzer zu Pulver zu zermalmen und eine slawische Herrschaft über Europa zu errichten. Klug, dreifach klug handelt daher
Sigismund, wenn er diese Pläne durchkreuzt und vernichtet.Für uns, für die deutsche Nation, stellt weder Polen eine Bedrohung dar noch Litauen. Eine Bedrohung ist das Bündnis. Die
Krone für Witold bedeutet das Ende dieser Bündnisträume. Eine Krone kann in keine andere gesteckt werden. Indem er Witold
die Krone verspricht, zerschlägt Sigismund das Bündnis. Er wirft sie als Zankapfel zwischen sie. Daraus kann, geb’s Gott,
sogar ein polnisch-litauischer Krieg werden. Daraus kann, möge Gott es bewirken, sogar eine Teilung werden. Was? Herr Oswald
von Langenreuth? Würde Euch die Teilung Polens nicht gefallen?«
»Sie würde mir gefallen, wenn ich ein Träumer wäre«, gab Langenreuth zu.
»Träume lassen sich verwirklichen«, brauste Konrad auf. »Der Prophet Daniel spricht, dass Gott die Zeiten verändert, Könige
stürzt und Könige erhebt. Lasst uns also beten, dass dies eintreffen möge. Möge Gott uns ein neues römisches Kaiserreich gewähren
und Sigismund von Luxemburg zu unserem neuen Kaiser machen. Möge sich der Traum von Europa, von einem vereinigten Europa verwirklichen,
in dem Germanien die Vorherrschaft hat. Germanien über alles! Und die anderen Völker in die Knie. In die Knie, unterworfen.
Oder, zum Teufel, ausgerottet! Mit Stumpf und Stiel!«
»Und die Ketzer wie Hunde nach draußen jagen, vor die Mauern dieses Neuen Jerusalems.« Langenreuth nickte. »Wirklich, eine
schöne Vision. Da tut es einem fast leid, dass das Leben einen gelehrt hat, Realist zu sein. Nicht zu träumen, sondern vorausschauend
zu handeln und seine Zukunftsplanung an der Realität auszurichten. Und deshalb glaube ich, dass es zu einer Krönung Witolds
nicht kommen wird. Polen kann nicht damit einverstanden sein, und der Papst wird nicht damit einverstanden sein. Der Luxemburger
wird beschwichtigen und abwinken und anderswo eine neue Intrige spinnen. Jagiełło wird sich nicht an einem Kreuzzug gegen
die Hussiten beteiligen, er wird nicht aufhören, die Böhmen zu unterstützen. Und die Deutschordensritter werden stillhalten,
weil siewissen, dass sie sonst eines schönen Tages die hussitischen Kampfwagen vor der Marienburg, vor Konitz, Dirschau und Danzig
aufziehen sehen.«
»Wo habt Ihr denn einen derartigen Verlauf der zukünftigen Ereignisse gesehen?«, spottete Konrad. »In den Sternen?«
»Nein«, entgegnete Oswald von Langenreuth eisig. »In den Augen des Bischofs von Krakau, in den Augen von Zbigniew Oleśnicki.
Aber lassen wir das, genug von Polen, Litauen und diesem ganzen wilden Osten. Sprechen wir über unsere westlichen Probleme.
Über das bevorstehende Konzil. Über die Angelegenheiten, die den katholischen Glauben betreffen
. . .
Herrgott! Was hat denn Euer Vogel? Ist der verrückt geworden? Fast hätte er das Fenster eingeschlagen! Warum verschließt Ihr
den Käfig nicht?«
»Das ist ein freier Vogel«, erwiderte Bischof Konrad ernst. »Er tut, was er will. Manche Themen langweilen ihn. Dann fliegt
er davon.«
Die Hufeisen des Falben klapperten über die Pflastersteine des
Weitere Kostenlose Bücher