Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
war, weil ich nun nicht mehr mit ihm machen konnte, was ich mir in schlaflosen Nächten ausgedacht und
     in allen Einzelheiten geplant hatte.«
    »Dieses Welpengeheul hat mich verändert. Ich begann zu verstehen. Ich habe begriffen, dass es Dummheit ist, sein Rachemütchen
     an den Werkzeugen und Untergebenen zu kühlen, dass es unnötige Zeitverschwendung ist, Denunzianten, falsche Zeugen oder die
     Mitglieder des Tribunals aufzuspüren und zu verfolgen, nicht einmal dessen Vorsitzenden, den gottesfürchtigen Peter Bantsch,
     den Lektor der Schweidnitzer Dominikaner. Ich habe sie nicht angetastet. Aber ich habe mirgleichzeitig fest vorgenommen, alles zu tun, um an den wahren Schuldigen heranzukommen, an Konrad, den Bischof von Breslau.
     Man kommt nicht leicht an jemanden wie Konrad heran, da bedarf es schon eines glücklichen Zufalls, einer einmaligen Gelegenheit.
     Und Bruno Schilling ist für mich eine solche Gelegenheit.«
    »Du musst meine Motive kennen, Reinmar, du musst einsehen, dass ich nicht anders handeln kann. Es gibt, wie es heißt, keinen
     Rauch ohne Feuer. Ich kann nicht ausschließen, dass man dich doch abgeworben hat, dass du jetzt für die Gegenseite arbeitest.
     Jetzt, nachdem ich Schilling verhört habe, weißt du ganz einfach zu viel, als dass ich dir gestatten könnte, von hier wegzugehen.
     Vielleicht ziehst du, edler und verrückter Lancelot, von hier fort und willst nur deine geliebte Guinevere retten. Vielleicht
     hältst du wirklich dein Versprechen, das Geheimnis zu bewahren. Ich denke, ja, ich glaube sogar, dass du genau das tun würdest.
     Aber ich kann auch eine andere Handlungsweise nicht ausschließen. Eine, die meine Pläne zunichte macht. Das kann ich nicht
     riskieren. Du bleibst hier, auf der Eulenburg. So lange, wie es notwendig ist.«
    »Du sitzt so ruhig da«, beendete Horn selbst das lange Schweigen, das nach seiner Erzählung eingetreten war. »Du schreist
     nicht, du wirfst nicht mit Schimpfwörtern um dich, du stürzt dich nicht auf mich. Dafür gibt es zwei Erklärungen: Zum Ersten
     – du bist klüger geworden. Zum Zweiten
. . .
«
    »Eben das zweite.«
    Horn stand auf. Mehr konnte er auch nicht tun. Die Tür öffnete sich mit einem Knall, und Scharley, Samson und Houžvička stürmten
     ins Zimmer. Houžvička legte die Armbrust an und zielte damit geradewegs ins Gesicht seines ehemaligen Chefs.
    »Das Messer, Horn.« Scharleys scharfen Augen entging wie immer nichts. »Wirf das Messer auf den Boden.«
    Houžvička hob die Armbrust. Urban Horn warf den Dolch zu Boden, den er unbemerkt aus dem Ärmel hatte gleiten lassen.»Du hast dich in mir getäuscht«, sagte Reynevan. »Denn siehst du, ich habe aufgehört, ein naiver Idealist zu sein. Dabei richte
     ich mich übrigens nach deinen den Erfahrungen in der Welt entspringenden Lehren. Ich habe mir einen findigen Pragmatismus
     und Praktizismus zugelegt und dazu passende Überzeugungen und Prinzipien, die da lauten, dass meine eigenen Interessen in
     der Hierarchie höher stehen als die anderer. Dass man im Falle eines drohenden Scheiterns immer einen Ersatzplan in der Tasche
     haben muss. Und wenn man unbedingt an etwas glauben will, dann am besten an ungarische Golddukaten, mit denen man sich die
     eine oder andere Loyalität erkaufen kann. Deine Burgmannen kommen von ihrem Zug erst übermorgen zurück, deine Knechte sind
     eingesperrt. Und du wirst auch eingesperrt. In eine Zelle. Wir dagegen reiten.«
    »Gratuliere, Scharley.« Horn verschränkte die Arme über der Brust. »Ich gratuliere dir, denn das ist doch dein Plan und deine
     Aktion; für einen listigen Pragmatiker, Reinmar, trägst du zu dick auf. Gut, ihr habt gewonnen, ich habe Pech. Ihr seid zu
     dritt, den Verräter da mit seiner Armbrust nicht mitgezählt, den ich, das weiß Gott, irgendwann dafür zur Verantwortung ziehen
     werde. Aber du, Scharley, hast mich enttäuscht. Ich habe dich für einen Mann gehalten.«
    »Horn«, drohte Scharley ihm, »sei still, oder du kommst in die Zelle.«
    »Würdest du mir auch mit der Zelle drohen, wenn wir hier nur zu zweit wären? Du und ich? Mann gegen Mann?
Le combat singulier?
Würdest du dich nicht gern selbst davon überzeugen wollen, was dann käme?«
    Samson schüttelte den Kopf. Reynevan öffnete den Mund, aber Scharley brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen.
    »Dann lass uns doch mal sehen, was dann kommt. Willst du das wirklich?«
    Horn antwortete nicht. Stattdessen sprang er wie eine Feder nach vorn und

Weitere Kostenlose Bücher