Lux perpetua
machen.«
»Solang du noch davon redest, kann es ja nicht so schlimm sein.« Die Zähne des Mauerläufers blitzten, während er sich auf
der Eichenbank ausstreckte. »Wenn ich dir wirklich lästig oder nicht mehr nützlich wäre, hättest du mich still und ohne Vorwarnung
erledigt. Erbarmungslos. Ohne Rücksicht auf die Blutsbande zu nehmen.«
»Ich habe es dir schon einmal gesagt«, Konrad zwinkerte nervös, »lass es mich nicht wiederholen: Zwischen uns gibt eskeine Blutsbande. Ich nenne dich Sohn und behandle dich wie meinen Sohn. Aber du bist nicht mein Sohn. Du bist der Sohn einer
Hexe und Giftmischerin, einer getauften Jüdin, die ich vor dem Scheiterhaufen bewahrt und aus der ich dann auch noch eine
Nonne gemacht habe. Dass ich deiner Mutter oft die Ehre erwiesen habe, sie zu vögeln, heißt nicht, dass du die Frucht meiner
Lenden bist, Birkhart, dass du meinem Samen entsprossen bist. Ich neige zu der Ansicht, mein Sohn, dass dich der Teufel selbst
gezeugt hat. Und das gewiss nicht deshalb, weil in Lauban kein Sterblicher Zutritt zu deiner Mutter hatte – ich kenne die
Frauenklöster nur zu gut, auch das Temperament deiner sinnlichen Mutter –, ich verwette meinen Kopf, dass so mancher Beichtiger sie auf seinen Speer gespießt hat. Aber dein Charakter verrät, wer
wirklich veranlasst hat, dass du auf die Welt gekommen bist.«
»Fahr fort, Väterchen, fahr fort. Rede dir alles von der Seele.«
»Daraus lässt sich nur folgern«, führte der Bischof, mit dem Fuß seines Kelches und der Miene des Mauerläufers gleichermaßen
spielend, weiter aus, »dass du der Sohn des Teufels und einer jüdischen Hure bist. Wie man’s auch dreht und wendet: der Antichrist,
der Held meiner letzten Propagandapredigten. Evanthas, Lateinos oder so ein anderer Kakos oder Kutos, das habe ich vergessen.
Gieß mir Wein ein. Meine Dienerschaft hast du vertrieben, also wirst du mich bedienen. Und sag, was du für mich hast. Was
willst du?«
»Nichts. Ich bin nur hergekommen, dir meine Ehrerbietung zu erweisen. Nach deiner Gesundheit zu fragen, denn es gehört sich
doch wohl für einen Sohn, sich nach der Gesundheit seines Vaters zu erkundigen. Ich wollte nur wie jeder gute Sohn fragen,
ob mein Vater nicht etwas braucht? Vielleicht die Dienste seines Sohnes? Oder eine Gefälligkeit?«
»Deine Fürsorge kommt zur falschen Zeit. Vor einem Monat hätte ich dich gebraucht. Und es ist wirklich schade, dass du damals
nicht auffindbar warst. Schade auch für dich, wie ichglaube. Reynevan von Bielau ist nämlich in Breslau aufgetaucht. Und dir war doch mal so sehr an ihm gelegen.«
Das Gesicht des Mauerläufers veränderte sich unmerklich. So wenig, dass jemand, der ihn nicht kannte, es kaum bemerkt hätte.
Aber der Bischof kannte ihn.
»Einen Monat, nachdem ich ihn exkommunizierte«, fuhr er fort, »zwei Monate nach Altwilmsdorf, wo er dich besiegt und gedemütigt
hat, hat dieser Lump es gewagt, seine Häretikerschnauze in meiner Stadt zu zeigen. Doch damit nicht genug: Es gelingt ihm,
zu entkommen. Ich habe lauter Dummköpfe in meinen Diensten, zum Teufel, nichts als Dummköpfe und Schlappschwänze.«
»Was hat er in Breslau gemacht?« Der Mauerläufer presste die Frage zwischen den Zähnen hervor. »Was hat er hier gesucht? War
er allein oder waren auch seine Kumpane dabei? Wer hat ihn enttarnt und wie? Durch was für ein Wunder ist er entkommen? Einzelheiten,
Bischof. Einzelheiten!«
»Was gehen mich Einzelheiten an?« Konrad lachte auf. »Mich interessiert das Ergebnis, und das ist gleich null. Nach Einzelheiten
frage ich nicht, man würde mich auch so belügen, um die eigene Unfähigkeit zu verbergen. Frag Kutscher von Hunt, vielleicht
kannst du aus dem was herausbringen. Und jetzt geh. Du bist zur falschen Zeit hier aufgetaucht. Ich erwarte einen Gast. Oswald
von Langenreuth, den Sekretär und Berater Konrad von Dhauns, des Erzbischofs von Mainz. Er kommt geradewegs aus Wolhynien.
Aus Luck.«
»Ich würde gerne dableiben. Luck interessiert mich auch. In gewisser Weise.«
»Dann bleib«, willigte der Bischof nach längerem Nachdenken ein. »Aber nur unter den üblichen Bedingungen. Das heißt, im Käfig.«
Der Mauerläufer lächelte. Das Lächeln schien die Verwandlung zu überdauern, denn der zu einem Krächzen geöffnete Schnabel
des Vogels erinnerte seltsam daran. Der Vogel schlug mit den Flügeln, blinzelte mit seinen schwarzen Äuglein, flogzu dem in einer Zimmerecke
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