Luzia und der Ball der Vampire - Erst ich ein Stück, dann du
ein Lied.
Zuerst sehr leise, dann immer lauter.
Das Mädchen lächelte, breitete die Arme aus und drehte sich weiter im Kreis.
„Hab bitte keine Angst vor mir“, sang Luzia jetzt. „Ich wohne im Schloss, und ich freue mich, dass du hergekommen bist.“
Das Mädchen hörte auf zu tanzen. Das Lächeln in seinem Gesicht verschwand. Zögernd öffnete es die Augen.
„Hallo, ich bin Luzia“,
sagte Luzia schnell.
„Und wer bist du?“
Das Mädchen riss die Augen weit auf.
Bestimmt würde es jeden Moment laut loskreischen. Das musste Luzia auf jeden Fall verhindern, und so sprang sie mit einem Satz auf das Mädchen zu und presste ihm ihre Hand auf den Mund.
„Bitte, bitte, schrei nicht“, wisperte Luzia ihm ins Ohr. „Ich schwöre dir, ich tu dir nichts. Du musst wirklich keine Angst haben.“
Das Mädchen fing an zu zittern. Aus großen blauen Augen starrte es Luzia an.
„Du musst es mir versprechen“, sagte Luzia eindringlich. „Nur dann kann ich dich wieder loslassen.“
Das Mädchen reagierte nicht, sondern stand stocksteif da und wagte kaum zu atmen.
„Ich bin ein Vampir“, wisperte Luzia. „Ich bin stärker als du. Und schneller bin ich auch. Du kannst sowieso nicht weglaufen. Also überleg es dir gut. Wenn du schreist, weckst du nur die anderen. Und mein Bruder Fedor ist lange nicht so freundlich wie ich. Verstehst du, was ich meine?“
Das Mädchen nickte zaghaft und Luzia lockerte ihren Griff. Sie ließ die Hände sinken und lächelte das Mädchen an.
„Sagst du mir, wie du heißt?“, fragte sie.
Das Mädchen nickte noch einmal.
„Merle“, krächzte sie. „Ich heiße Merle.“
„Das ist ein hübscher Name“, fand Luzia.
„Genauso hübsch wie du.“
Die Wangen des Mädchens fingen an zu glühen und ihre blauen Augen glänzten. „Findest du?“, erwiderte es schüchtern.
„Aber jaaa!“, sagte Luzia. „Deine Goldhaare sind total cool. Außerdem duftest du irgendwie lecker.“
„Na ja …“ Merle zuckte mit den Schultern. „Ich habe meine Haare mit Fruchtshampoo gewaschen.“
„Das meine ich nicht“, entgegnete Luzia und legte Merle freundschaftlich ihren Arm um den Hals. „Du riechst total lecker nach Blut.“
Wieder wurde Merle ganz steif vor Entsetzen. „A-aber du hast versprochen, dass du mir nichts tust“, stammelte sie.
„Klar.“ Luzia hob die Hand zum Schwur. „Natürlich tue ich dir nichts. Am liebsten würde ich dich mit in meinen Sarg nehmen und den ganzen Tag an dir herumschnuppern“, sagte sie fröhlich.
„Bitte, bitte, mach das nicht!“, flehte Merle. „Särge sind schrecklich gruselig.“
„Überhaupt nicht!“, rief Luzia entrüstet. „Mein Sarg ist seeehr gemütlich. Du solltest ihn mal ausprobieren. “
„L-lieber nicht“, stotterte Merle. Vor lauter Angst war ihr Gesicht schon genauso bleich wie ihr Nachthemd. „Hm“, machte Luzia. „Das geht ja auch sowieso nicht. Fedor würde dich nämlich sofort beißen. Oma Griselda könnte deine Wunde zwar nähen, aber ich müsste dich danach zu Betti in den Vogelkäfig sperren, damit Fedor dich in Ruhe lässt. Außerdem ist da noch Opa Adalbert“, fuhr sie fort. „Er hält sich neuerdings für eine Mücke. Garantiert würde er ebenfalls versuchen, dich anzuzapfen.“
„W-wer ist Betti?“, stammelte Merle.
„Meine Ratte“, sagte Luzia.
„Na ja, eigentlich ist Betti eine freie Ratte“,
setzte sie hinzu.
„Aber ich möchte sie gerne behalten.
Ich mag sie nämlich.
Außerdem fühle ich mich so
weniger allein.“
Luzia senkte den Kopf und guckte traurig auf den Fußboden. Eine Weile war es ganz still im Ballsaal. Schließlich räusperte Merle sich und fragte: „Hast du denn keine Freunde?“
„Nee“, presste Luzia hervor. „Nicht einen einzigen. Seit über tausend Jahren nicht.“
„Sooo alt bist du schon!“, staunte Merle.
„Ja.“ Luzia seufzte tief. „Und morgen habe ich Geburtsnacht. Dann werde ich noch älter.“
„Was?“ Auf Merles Stirn bildete sich eine Steilfalte. Aber dann hellte sich ihre Miene ganz schnell wieder auf. „Oh!“, rief sie. „Das ist ja ein Zufall! Ich habe morgen nämlich auch Geburtstag!“
„Wow!“ Luzia wirbelte einmal um die eigene Achse. „Das ist ja wirklich … obermerkwürdig“, sagte sie dann.
„Wieso?“, fragte Merle verwundert.
„Weiß ich auch nicht“, murmelte Luzia. „Seltsam eben.“
Plötzlich hatte sie ein ganz kribbeliges Gefühl im Bauch. „Warum bist du hier?“, wollte sie wissen.
„Um
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