Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch
um einiges griffiger aus als der andere Wächter, und das würde es ihm noch schwieriger machen, in Guadeloupe auch nur einen Tag zu überleben. Er würde vielleicht morgen schon nicht mehr da sein. Ehe ich zu Ende gedacht und eine Entscheidung getroffen hatte, hatten die Schritte vom Flur uns erreicht und niemand anderes als Johnny Depp persönlich schritt durch die Tür.
»Scheiße«, wollte Serdan zum hundertsten Mal sagen, doch es kam nur ein ersticktes Schnarren. Leander und der Jesus-Verschnitt wichen elegant zur Seite, als Johnny zu Lily-Rose stürzte und sie auf seine Hüfte nahm, obwohl sie dafür eigentlich schon zu alt war. Hilfe suchend schlang sie ihre zarten Arme um seinen Nacken.
Leander löste seine Augen von dem Mädchen und hob wie in Zeitlupe seine Lider, um mich ins Visier zu nehmen.
»Na endlich«, entfuhr es mir. Sein blaues Huskyauge flackerte erkennend auf und ein Schmerz trat in sein Gesicht, den ich vorher noch nie gesehen hatte. Trotzdem verzog er seinen Mund zu einem schiefen Lächeln und hob entschuldigend die Achseln, während mir die Hitze aus dem Bauch ins Gesicht schoss.
Ich wandte meinen Blick ab und widmete meine Aufmerksamkeit jenem weltberühmten Schauspieler, der Serdan und mich erstaunt musterte und auf eine Erklärung wartete.
Johnny, bläute ich mir ein, denn mein Kopf hatte das Denken verlernt. Das ist Johnny Depp, Luzie. Benimm dich. Es gab keinen Zweifel, dass er es war. Er war nicht besonders groß und seine Haare wirkten am Ansatz ein bisschen fettig, vielleicht hatte er sie ja gerade waschen wollen, denn sein Hemd stand offen und seine Hose hätte auch eine Pyjamahose sein können, doch ihn umgab eine Aura, der ich mich kaum entziehen konnte. Serdan offensichtlich auch nicht. Wir waren wie versteinert. Verflucht noch mal, Käpt’n Jack Sparrow stand vor uns. Was würde er jetzt tun? Seine Bodyguards rufen? Die Polizei alarmieren? Uns den Hintern versohlen? Erkannte er uns denn? Immerhin waren meine Haare nun wieder zu sehen. Eindeutig rot.
»Nicht weinen, chérie«, sagte Leander in die erschrockene Stille hinein und erst jetzt merkte ich, dass meine Wangen tränennass waren.
»Kann ich euch helfen?«, fragte Johnny in einem sehr eigenartigen Französisch und ich lachte schluchzend auf, weil seine Stimme ganz anders klang als in den synchronisierten Filmen. Dunkler und älter. »Was wollt ihr hier?«
Serdan versuchte, etwas zu sagen, doch noch immer brachte er es lediglich zu einem kratzigen Husten. Ich aber musste etwas sagen – je eher, desto besser, auch wenn es keine Antwort auf Johnnys Frage war.
»Du bist in Gefahr. Sie wollen dich in die Karibik verschleppen. Heute noch. Ich habe sie belauscht. Und ich weiß, was du tun kannst, um dich von ihnen zu befreien. Bitte glaub mir, du bist in großer Gefahr. Komm mit.«
Meine Stimme versagte, weil die Tränen übermächtig wurden. Lily-Rose guckte mich stumm und blass an, während Johnny einen Schritt auf mich zutrat und in die Knie ging, um mir ins Gesicht sehen zu können, doch ich heftete meine Augen wieder auf Leander.
»Komm nach Hause. Bitte.« Meine Worte waren so leise, dass nicht einmal ich sie hören konnte. Ich wandte mich ab und registrierte, dass Johnny mich ernst und besorgt musterte, ja, sogar die Hand ausstreckte, um meine Wange zu berühren – oder nach mir zu greifen und mich zur Polizei zu schleppen? Nein, das wollte ich selbst erledigen. Und Leander musste selbst entscheiden, auf welche Seite er gehörte. Sky Patrol mit einem schnellen Ende in Guadeloupe oder zu mir und meiner Familie, auch wenn die nichts von ihm wusste.
»Nix wie weg hier!«, gab ich den Einsatzbefehl zum Abmarsch und plötzlich konnten Serdan und ich uns wieder rühren. Wir drehten uns synchron um, sprangen hinaus auf die Veranda und über die Brüstung, seilten uns in halsbrecherischer Geschwindigkeit an den Zweigen ab, kamen auf dem Rasen auf, rollten uns ab und rannten ohne die winzigste Verzögerung auf die große Mülltonne zu, die uns den Satz über die Mauer des Anwesens erleichtern würde. Es war ein mächtiger Satz und wie ein Blitzlichtgewitter rasten die Stunts aus der James Bond -Parkour-Szene durch meinen Kopf, doch die Angst und meine Wut verliehen mir Flügel. Ich brauche dich dazu nicht, Leander, dachte ich, als meine Hände auf der Mauerkante aufschlugen und ich mich nach oben wuchtete. Aber du brauchst mich.
»Oh my god …Oooh my god … they are completely crazy«, hörte ich Johnny hinter uns
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