Luzifers Geliebte (Geschichtentrilogie Band 2 Fantastische Geschichten)
Männer bedrängten eine Frau, im Begriff, ihr Gewalt anzutun. Das Mieder der Frau war zerrissen, eine Brust entblößt, der weite Rock in die Höhe geschoben.
Entsetzt sah Sanders, wie der eine ungeschlachte Kerl die Frau festhielt, während der andere lachend seine Hände zwischen ihre nackten Schenkel stieß.
Sanders stockte der Atem.
"Du?", fragte er die schöne Frau neben ihm.
"Die Knaben wollten mir helfen", erwiderte die Frau kaum hörbar. "Deshalb wurden sie niedergestochen."
"Und ich? Was tue ich jetzt. Eile ich, um Waffen zu holen?"
Sanders konnte nicht glauben, was er sah. Auf seiner Stirn bildeten sich kleine, kalte Tröpfchen, seine Hände zitterten.
"Nein", sagte die Frau traurig. "Du läufst weg. Du versteckst dich im Maisfeld."
"Aber... "
"Ich habe dich seitdem nicht mehr gesehen. Als ich die Leichen unserer Kinder im Hof entdeckte, wurde ich wahnsinnig. Ich lebte noch vierzig Jahre. Im Dorf nannte man mich die Verrückte Alte. Täglich ging ich am Rande des Maisfeldes entlang. Ich rief deinen Namen. Doch als ich keine Antwort bekam, setzte ich mich an den Wegrand und wartete. Doch du kamst nicht. So erzählte ich dir ins Maisfeld hinein, unsere Kinder seien in Gefahr, du solltest kommen und sie beschützen. Aber aus dem Maisfeld kam nie eine Antwort. Da ging ich eines Tages, es war gerade Vollmond, selbst hinein, verirrte mich und blieb dort. Erst im Herbst, als der Mais geerntet wurde, fand man meine verweste Leiche."
"Das ist ja furchtbar."
Sanders versuchte, die Hand der Frau zu erhaschen, griff aber ins Leere.
"Und immer, wenn Vollmond ist", fuhr die Frau fort, "finde ich die Kraft, nach dir zu suchen. Als ich dich vor hundert Jahren das erste Mal aufspürte, warst du schon gestorben. Ein andermal warst du mit einer Frau zusammen, die stärker war, als ich. Ich konnte nicht an dich herankommen. Doch heute ist es soweit. Schau dir den Mond an. Er ist voll. Doch er ist schwarz geworden vor Trauer. Nur ein goldener Hof schenkt ihm etwas Glanz und Helligkeit. Bleibe bei mir."
Die schöne Frau schmiegte ihren Körper ganz fest an Sanders. Erschauernd wich er zurück. Die Frau war kalt, wie Eis, kalt wie der Tod.
"Wir, die Kinder und ich, haben Sehnsucht nach dir", sprach die Frau weiter. "Die Knaben sind immer noch so klein und lieb wie damals. Du wirst sie sofort wieder erkennen."
Sanders Hände waren feucht geworden. Ihm war heiß, doch er fröstelte.
"Verzeih", sagte er. "Ich muss mich etwas frisch machen."
Sanders wankte durch den Schankraum zur Toilette, ließ kaltes Wasser über die Pulsadern fließen, wusch sich das Gesicht, blickte in den Spiegel über dem kleinen Waschbecken und erschrak wieder zutiefst.
Ein völlig fremder Mensch blickte ihm verstört entgegen.
Das Nebenzimmer, in das er taumelte, war leer. Weder der Wein noch die Frau waren zu sehen. Verwundert fragte er den Wirt, wo die Frau geblieben sei und erfuhr, dass er die ganze Zeit allein gewesen war. Auch den alten Mann mit Brille hatte der Wirt nicht gesehen.
"Als ich Sie bedienen wollte", sagte er, "haben Sie so fest geschlafen und sahen so müde aus, dass ich dachte, der Schlaf sei für Sie jetzt wichtiger als alles andere."
Also hatte er doch geschlafen. Und so verrücktes Zeug geträumt.
‚Vielleicht ist heute Föhn‘, dachte er. ‚Oder Vollmond.‘
Komisch war nur, dass es so warm war. Und das im Februar. Er war doch erst drei Wochen unterwegs. Und als er im Januar wegfuhr, war alles noch frostig und schneebedeckt gewesen.
Nachdenklich ging Sanders hinaus. Die frische Morgenluft kam ihm entgegen. Er atmete tief durch.
Doch was war denn das?
Auf dem Dach eines Hauses, Sanders genau gegenüber, wuchs ein
blühender Fliederstrauch.
Wieso blühte der Flieder schon im Februar. Hatte denn der Spuk noch immer kein Ende.
Es fing gerade an zu tagen. Ein Auto blieb an der Tankstelle stehen, ein Mann stieg aus, füllte die Zeitungsbox.
Sanders nahm sich eine Zeitung heraus und erstarrte. Das konnte nicht sein. Doch hier stand es schwarz auf weiß. Es war der dritte Juni. Also nicht Februar.
Aber er war doch nur drei Wochen weg gewesen.
War denn die Zeit stehen geblieben?
Oder er?
Und die Zeit lief ihm davon?
Sanders fand keine Erklärung für das Vorgefallene und beschloss, sich über gar nichts mehr zu wundern. Er machte nochmals einen Rundgang um sein Auto. Es war alles in bester Ordnung. Na, also.
Er schloss die Tür auf, setzte sich ans Lenkrad und …
Auf dem Beifahrersitz lag eine
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