Luzifers Geliebte (Geschichtentrilogie Band 2 Fantastische Geschichten)
war sanft und zärtlich, seine Augen voll sprühenden Grüns. Alles Licht des Himmels und der Erde schien sich widerzuspiegeln in der Durchsichtigkeit seiner Iris.
"Ja", erwiderte ich fasziniert. "Und Sie?"
"Heute geht es nicht", sagte der Fremde. "Aber für einen Spaziergang ist Zeit."
Wie zwei Vertraute schlenderten wir die Alexanderstraße entlang zum Alex und setzten uns vor dem Kaufhof in den Biergarten in eine schon etwas dunklere Ecke. Ich trank ein großes Weizenbier, Horus, so hieß mein neuer Bekannter, hatte keinen Durst.
Horus, dachte ich, komischer Name, kommt mir irgendwie bekannt vor. Aha, fiel es mir ein, altägyptische Mythologie. Das war doch der, der mit Seth kämpfte und gewann, und dann von den Göttern als der rechtmäßige Sohn des Osiris, dem Totengott, anerkannt wurde, und das, obwohl Seth ihm außereheliche Geburt vorgeworfen hatte.
„Ich suche eine nur erotische Beziehung", sagte da Horus. „Eine Frau für den Sex. Du verstehst?"
Ein prickelndes Gefühl zog durch meinen Körper, als Horus in meine Augen sah. Vor Schreck, aber auch vor unbekannter Wonne, presste ich meine Schenkel zusammen und schloss die Augen. Nur Sex. Was bildet der sich ein. Und doch. Das prickelnde Gefühl verschwand nicht. Würde er mich jetzt küssen?
Als ich die Augen öffnete, war Horus verschwunden. Ein Traum? Ich lief wieder zur Brücke, stieg verwirrt die wenigen Stufen hinunter zum Ufer.
Es war einer jener märchenhaften Spätabendsommertage, wie sie im Buche stehen. Luft wie Samt und Seide, Duft, wie aus Tausendundeiner Nacht. Da können einem die Sinne schon mal einen Streich spielen.
Überall in den Anlagen glänzten Bäume und Sträucher in der Abendsonne; wollüstig hatte sie sich über die Erde gelegt, wie eine überreife Tomate.
Fast unmerklich war es kühler geworden, auch dämmerig, und der Vollmond zeichnete sich schon durchsichtig ab am purpurnen Himmel. In wenigen Stunden würde er stolz und unabhängig erstrahlen in seiner unvergleichlichen Schönheit.
Alles war seltsam, licht und leicht, und ein Strahlen und Glänzen um mich her, ein Murmeln und Raunen, Flüstern und Säuseln geheimnisvoll in der Luft, und modrige Süße stieg auf von der Erde, wie sommermüdes Parfüm. Alle Hektik schien verschwunden, hatte sich aufgelöst in Licht und Luft.
Wie ein Kind, das zum ersten Mal in seinem kleinen Leben die Natur bewusst genießt, lächelte ich vor mich hin. Zwei Eichhörnchen spielten vergnügt miteinander, wühlten emsig im trockenen Laub nach versteckten Eicheln, setzten sich dann possierlich auf ihre Hinterbeinchen und knabberten an den braunen Früchten.
Da stand Horus plötzlich wieder vor mir, aufgetaucht aus dem Nichts.
„Ich bin soeben aus Ägypten zurückgekommen", sagte er und breitete seinen langen, schwarzen Mantel aus, wie zwei Adlerschwingen. „Muss in zwei Tagen wieder hin. Den Film fertig drehen. Darf ich dich einladen? In meine neue Wohnung?"
Die Luft war plötzlich schwer, schien erfüllt von Stöhnen und Lust.
Fast ohne eigenen Willen stieg ich in Horus amerikanischen Jeep, wir fuhren in eine düstere Tiefgarage, dann mit dem Fahrstuhl zu einer Wohnung in einem Hochhaus. Unterwegs begegneten wir keinem Menschen. Es war, als seien wir allein in diesem Riesenhaus mit seinen unzähligen, gleich aussehenden Türen, braun gestrichenen Wänden, dunklen Winkeln, endlos langen Gängen und riesigen Glastüren, die die Gänge unterteilten.
Alles war unheimlich, gespenstisch.
"Gruselig ist es hier", sagte ich, während sich ein ungutes Gefühl in meiner Magengegend immer mehr ausbreitete.
"Aber die Wohnungen sind o. k.", sagte Horus gelassen und schloss die Tür auf.
Einen Moment standen wir unschlüssig in einem kleinen Korridor. Horus grüne Augen funkelten mich verheißungsvoll an. Plötzlich hüllte er die eine Hälfte seines langen, schwarzen Mantels um meinen Körper und flüsterte:
"Du kannst es dir im Wohnzimmer gemütlich machen."
"Ja", flüsterte ich zurück und berührte vorsichtig die Stelle an meinem Hals, an der ich zwei Pieker zu spüren glaubte.
Das Wohnzimmer glich einem Büro. Alles schwarz, die beiden Schreibtische, die Regale längs der Wände, die Ledercouch, die tiefen Sessel, der runde Tisch, sogar Fernseher und Computer.
Ich fasste all meinen Mut zusammen, dachte: ‚mitgegangen, mitgegangen‘, und warf meinen Mantel über einen schwarzen Stuhl, die roten Pumps auf den Teppichboden, der grau war mit schwarzen Sternen, und versank in
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