Luzifers Hammer
lachte. Am Abend würde es in Los Angeles kein Gefängnis mehr geben. Auch Los Angeles würde nicht mehr da sein. Es würde keine Möglichkeit mehr geben, ihn mit diesen anderen zusammen einzusperren. Erinnerungen an frühere Aufenthalte im Gefängnis stiegen in ihm auf, aber er ersetzte sie durch erfreulichere Gedanken.
Fred dachte an Colleen. Er hatte einfach an ihre Tür geklopft und Geschenke mitgebracht. Er wollte nichts weiter als mit ihr reden. Sie hatte Angst vor ihm, aber er war schon drin, bevor sie die Tür verschließen konnte, und er hatte hübsche Geschenke für sie mitgebracht, hübsch genug, um ihn unter der Tür stehen zu lassen, während sie am anderen Ende des Zimmers stand und den Schmuck, die Handschuhe und die roten Schuhe betrachtete und fragte, woher er ihre Größe wüßte, und er es ihr sagte.
Sie hatten lange miteinander gesprochen, und allmählich wurde sie freundlicher und bot ihm einen Stuhl an. Dann hatte sie ihm einen Drink gemacht, sie hatten geplaudert, und dann bot sie ihm noch einen Drink an. Natürlich erwähnte er sein Fernrohr nicht, aber er sagte ihr, daß er wüßte, wo sie arbeitete, wo sie einkaufte und wie hübsch sie sei …
An das, was danach kam, wollte sich Fred nicht erinnern. Wie sie einen zuviel getrunken hatte und ihm sagte, daß sie sich zwar eben erst kennen gelernt hätten, daß es ihr aber vorkäme, als hätten sie sich schon immer gekannt, und daß er sie natürlich schon gekannt hatte, als sie noch nichts davon wußte, und daß sie ihn gefragt hatte, ob er bleiben und mit ihr bumsen möchte …
Eine Schlampe! Eine Schlampe wie alle anderen! Aber nein, das war sie dann doch nicht, sie mochte ihn wirklich, er wußte es, doch warum hatte sie dann gelacht und dann geschrien und ihm gesagt, daß er abhauen solle …?
NEIN!
An dieser Stelle mochte Fred nicht weiterdenken. Er schaute zum Himmel hinauf. Der Schweif des Kometen bedeckte den Himmel, genauso, wie er es in den astronomischen Blättern gesehen hatte, und wenn der Himmel sich blau färbte wie in einer heimlichen Morgendämmerung und jener Streifen hell wurde, den Fred sehen konnte, zog der Komet immer noch seine Bahn über den Wolken, und unten auf der Straße gingen die Leute dahin. Waren diese Narren wirklich so ahnungslos?
Das Frühstück wurde ihm in die Zelle gebracht. Die Wachleute wollten nicht mit ihm sprechen, und selbst diejenigen, die ihn kannten, blickten ihn so merkwürdig an … Sie wußten Bescheid. Natürlich wußten sie Bescheid. Der Polizeiarzt wird sie untersucht haben, und sie wußten, daß nichts dran war, daß er es versucht, aber nicht fertig gebracht hatte, daß sie gelacht hatte und daß er auf einmal wußte, wie er es zuwege bringen könnte, aber er wollte es nicht, und sie hatte wieder gelacht, und er hatte zugebissen bis sie schrie, und dann hätte er gekonnt, wenn sie nur aufgehört hätte zu schreien.
Er mußte aufhören zu denken. Das hatte er auch getan, bevor er sich an die Gestalt dort auf dem Bett erinnerte. Die Bullen hatten ihn gezwungen, sie anzuschauen. Sie hatten seine Hände auf eine gewisse Weise festgehalten und seine Finger umgebogen, bis er die Augen öffnete und hinsah, obwohl er es nicht wollte.
Wußten sie denn nicht, daß er sie geliebt hatte und nicht gewollt hatte, daß …«
Der Himmel schimmerte seltsam durch die Risse der Häuser auf der anderen Straßenseite, irgendwo links, weit entfernt im Süden und Westen. Das Glühen erstarb, bevor er es richtig mit bekam, aber Fred lächelte. Es war geschehen. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern.
»He, Charlie!« rief der Betrunkene auf der anderen Seite des Blocks. »Charlie!«
»Ja?« antwortete der Wärter.
»Was war denn das für eine Scheiße? Machen die einen Film?«
»Ich weiß nicht, wovon du redest. Frag doch den Sexgangster, der sitzt auf der Westseite.«
»He, du Ferkel …!«
Plötzlich begannen Wände und Fußboden wie wild zu wanken. Er flog … Er breitete die Arme aus, um seinen Kopf zu schützen. Die Mauersteine trafen seinen Arm, und Fred heulte auf. Sein linker Ellbogen schmerzte höllisch.
Der Fußboden schien zu halten. Das Gefängnis war ein solider Bau. Alles war einigermaßen heil geblieben. Frank bewegte den linken Arm und stöhnte. Auch die anderen Gefangenen schrien jetzt wild durcheinander. Einer brüllte vor Schmerzen. Er mußte von einem Etagenbett gefallen sein. Fred ignorierte sie alle und trat wieder ans Fenster. Er hatte wirklich Angst. War das alles?
Ein Tag
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