Luzifers Hammer
wie jeder andere mit … Wolken. Himmel, wie schnell die dahinflogen! Sie wirbelten durcheinander, formierten sich, verschwanden, flogen nach Norden und Osten. Eine niedrigere Wolkenbank, ruhiger und stabiler als die anderen, begann sich nach Süden und nach Westen auszubreiten. Es war nicht das, was Fred erwartet hatte. Er war auf eine Feuerwelle gefaßt gewesen. Der Jüngste Tag aber hatte seine eigene Fasson.
Der Himmel verdunkelte sich. Nun war alles voller schwarzer Wolken, die durcheinander wirbelten, pausenlos von Blitzen durchzuckt. Der Wind und der Donner heulten lauter als die Gefangenen.
Der Weltuntergang nahte mit Blitz und Donner.
Als Fred wieder zu sich kam, lag er auf dem Boden. Sein Ellbogen schmerzte höllisch. Der Blitz … der Blitz mußte im Gefängnis eingeschlagen haben. Im Flur brannte kein Licht, und draußen war es dunkel, nur ein unwahrscheinliches, zuckendes Leuchten war zu sehen, wie die Lichtorgel in einer Diskothek.
Charlie ging durch den Zellenblock. Er hatte seine Schlüssel bei sich und ließ die Gefangenen frei, einen nach dem anderen.
Er öffnete die Zellen, und die Gefangenen kamen heraus und gingen den Flur entlang – und Charlie war bereits an Freds Zelle vorbei. Die Zellentüren auf beiden Seiten standen offen, aber die seine blieb verschlossen.
Fred schrie, aber Charlie drehte sich nicht um. Er latschte bis ans Ende des Zellenblocks, dann ging er hinaus und stieg die Treppe hinunter.
Fred blieb allein zurück. Da begann er nach seiner Mutter zu schreien.
Eric Larsen schaute weder nach rechts noch nach links. Er schritt tüchtig aus. Er wich den Toten und Verwundeten aus und überhörte alle Hilferufe. Vielleicht hätte er helfen können, aber irgend etwas trieb ihn rastlos vorwärts. Sein kalter Blick und die Waffe, die er lässig trug, hielt jeden davon ab, ihm in den Weg zu treten.
Eric konnte keinen anderen Polizisten entdecken. Er nahm kaum die Leute um sich herum wahr, er sah nicht, daß einige versuchten, den Verletzten zu helfen, daß andere fassungslos vor den Trümmern ihrer Häuser, ihrer Läden und Geschäfte standen und daß andere ziellos herumliefen. Das alles rührte ihn nicht.
Alle waren verurteilt, auch Eric Larsen.
Er hätte sich leicht einen Wagen nehmen und in die Berge fahren können. Autos fegten an ihm vorbei. Er sah Eileen Hancock in einem alten Chrysler. Hätte sie angehalten, so wäre er vielleicht mitgefahren, aber sie hielt nicht, und Eric war irgendwie froh darüber. Es war schon schwer genug, mit seinen eigenen Problemen fertig zu werden.
Wie aber, wenn alles sinnlos war? Was, wenn – dies nur ein Metzgersgang war? Es gab keine Möglichkeit, es herauszufinden.
Ich hätte mir einen Wagen nehmen sollen. Ich wäre zu einem Ende gekommen und hätte eine Chance gehabt. Nun war es zu spät. Da war das Revier, das Rathaus und das Gefängnis – alles sah wie ausgestorben aus. Eric betrat das Gefängnis. Ein toter Polizist lag unter den Trümmern eines großen Schrankes, der an der Wand gestanden hatte. Weiter konnte er, tot oder lebendig, keine Menschenseele entdecken. Er ging am Schalter vorbei und stieg die Treppe hinauf. In den Zellenblocks war es still.
Es war ein Metzgersgang gewesen. Er wurde nicht gebraucht.
Schon wollte er die Treppe hinuntersteigen, doch dann blieb er stehen. Wenn er schon da war, so wollte er sich Gewißheit verschaffen.
Es war die Rede von einer Flutwelle gewesen, von einer Flutwelle nach dem Hammerfall. Im Gefängnis von Burbank saßen Leute ein, die er dorthin gebracht hatte, er, Eric Larsen. Betrunkene, kleine Diebe und jugendliche Streuner, die behaupteten achtzehn zu sein und bedeutend jünger aussahen. Man konnte sie nicht einfach in ihren Zellen ersaufen lassen wie die Ratten.
Und Eric hatte sie hierhergebracht – es war seine Pflicht.
Die Gittertür oben an der Treppe stand offen. Eric ging hinein und ließ seine große Taschenlampe in der Dunkelheit aufleuchten. Die Zellentüren waren geöffnet, bis auf eine.
Bis auf eine . Eric ging zur Zelle. Fred Lauren stand da mit dem Rücken zum Flur. Der linke Arm lag in der Armbeuge des rechten. Lauren starrte durchs Fenster und rührte sich nicht, als Eric den Strahl seiner Taschenlampe auf ihn richtete. Eric Larson hielt einen Augenblick lang still und beobachtete ihn.
Keiner durfte umkommen wie eine Ratte in der Falle, kein menschliches Wesen. Nicht die Betrunkenen, die Diebe und die, die von zu Hause ausgerissen waren, und … »Dreh dich um!«
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