Luzifers Hammer
Straßen sind blockiert, die Autobahnen zerstört, jede Menge Brände. Das Beste, was Sie für Ihre Familien tun können, ist, vorerst hier oben zu bleiben, wo Sie sicher sind.«
Der Mann nickte. Er hatte große braune Augen in einem kantigen, männlichen Gesicht. Ein strubbliger roter Bart sproß an seinem Kinn. »Ich habe es den Burschen gesagt. Julie-Ann, hast du das gehört? Deine Mutter weiß, wo wir sind. Wenn es dort unten wirklich so schlimm aussieht, werden sie die Polizei nach uns schicken. Wir bleiben am besten hier.« Er senkte die Stimme. »Nach diesem Beben wird man allerhand wiederaufbauen müssen. Sind viele verletzt?«
»Ja«, sagte Tim und wandte sich ab. Er konnte dem Anführer nicht in die Augen schauen.
»Dann werden wir noch einen Tag hier bleiben«, sagte der Anführer. »Bis morgen muß sich etwas tun. Die Kinder sind nicht auf den Regen vorbereitet. Kein Mensch denkt hier im Juni an Regen. Vielleicht sollten wir nach Burbank hinuntergehen und in einem Haus oder in einer Kirche um Unterkunft bitten. Man wird uns sicher aufnehmen …«
»Tun Sie das nicht!« sagte Tim. Seine Stimme klang dringend. »Noch nicht. Führt diese Straße über die Bergkuppe?«
»Ja.« Der Mann beugte sich dicht zu Tim hinab. »Warum wollen Sie dort hinauf?« Er wies auf die Blitze, die über der Bergspitze zuckten. »Warum?«
»Ich muß«, sagte Tim. »Sie bleiben hier, zumindest für die Nacht. Los, Eileen!« Sie fuhr an, ohne ein Wort zu sagen. Sie bogen um eine Kurve und ließen den Anführer auf der Straße stehen. »Ich hätte ihm sowieso nichts weiter sagen können«, meinte Eileen. »Sind sie hier sicher?«
»Ich glaube schon. Es scheint, daß wir ziemlich hoch oben sind.«
»Der Gipfel dort ist etwa 3.000 Fuß hoch«, sagte Eileen.
»Und wir befinden uns nur etwa 1.000 Fuß darunter. Wir sind in Sicherheit«, sagte Tim. »Vielleicht ist es besser, wir warten hier, bis das Blitzen aufhört. Dann können wir weiterfahren oder auch umkehren. Wo kommen wir hin, wenn wir weiterfahren?« »Tujunga«, sagte Eileen. »Gut 1.800 bis 2.000 Fuß hoch. Wenn wir irgendwo sicher sind, dann in Tujunga.« Sie fuhr weiter und schraubte sich immer höher in die Berge. Tim runzelte die Stirn. Sein Orientierungssinn war nicht besonders, und im Wagen lagen keine Landkarten. »Mein Observatorium liegt oberhalb des Big Tujunga Canyon. Vielleicht können wir es über diese Straße erreichen. Und im Observatorium gibt es Lebensmittel, eine Notausrüstung und jede Menge Vorräte.«
»Hammerfieber?« scherzte Eileen. »Und das bei dir?«
»Nein. Aber es ist ziemlich abgelegen. Ich war mehr als einmal eingeschneit, manchmal eine Woche und länger. So habe ich jede Menge Vorrat. Wo fahren wir hin? Warum hältst du nicht an?«
»Ich – ich weiß nicht.« Sie fuhr weiter, immer langsamer, der Wagen kroch nur noch dahin. Der Regen hatte nachgelassen. Es goß zwar immer noch, ein schwerer Regen für Los Angeles, unerhört für den Sommer, aber immerhin regnete es nur noch und goß nicht mehr wie aus Kübeln. Dafür frischte der Wind auf, heulte durch den Canyon, er schlug ihnen ins Gesicht, so daß sie sich gegenseitig anschreien mußten, aber der Sturm blieb so hartnäckig, daß sie es bald nicht mehr merkten.
Sie bogen wieder um eine Kurve und kamen auf eine Paßhöhe, von der aus man einen Blick nach Süden und nach Westen hatte.
Eileen hielt den Wagen an trotz der Gefahr, die ihnen durch einen Erdrutsch drohte. Der Sturm heulte, vor und über ihnen blitzte es. Der Regen rauschte so dicht nieder, daß das San Fernando Valley verschleiert war, doch manchmal lichtete sich der Regenvorhang etwas im Wind, und sie konnten verwaschene Umrisse erkennen. Unten in der Talsohle züngelten zu Dutzenden orangefarbene Flammen.
»Was ist das?« fragte sich Eileen laut.
»Häuser. Tankstellen. Öllager für Kraftwerke. Autos, Wohnungen, umgekippte Tankwagen – alles, was brennbar ist.«
»Feuer und Regen.« Sie erschauerte trotz der Wärme, die im Wagen herrschte. Der Wind heulte wieder auf.
Tim streckte den Arm nach ihr aus. Einen Augenblick lang sträubte sie sich, dann schmiegte sie sich an ihn und legte den Kopf an seine Brust. So saßen sie da, hörten den Wind und schauten durch den strömenden Regen auf die orangefarbenen Flammen.
»Wir werden es schaffen«, sagte Tim. »Das Observatorium. Wir werden schon hinkommen. Vielleicht müssen wir laufen, aber es ist nicht mehr weit. Dann sind wir in Sicherheit.«
»Nein«, sagte
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