Luzifers Hammer
lassen. Er drehte sich um.
»Harv?«
Er gab keine Antwort.
»Harv, ich bin’s, Mark. Mein Gott, Mann, was ist denn passiert?«
»Ich weiß nicht. Plünderer.«
Er war schon fast wieder bei Bewußtsein, als Mark wieder zu sprechen begann. »Harv, bist du in Ordnung?«
»Ich war nicht da. Erst habe ich einen Professor bei der ULLA interviewt, dann geriet ich in einen Verkehrsstau, jedenfalls war ich nicht da … Laß mich allein!«
Mark wechselte von einem Fuß auf den anderen. Er streifte durchs Schlafzimmer und schaute in die Schränke. »Harv, wir müssen hier weg. Du und dein verdammter ›heißer Sonntag.‹ Weißt du, daß die ganze Niederung von Los Angeles unter dem Meer liegt?«
»Sie wollte, daß ich bleibe. Sie hatte Angst«, sagte Harvey.
Er überlegte krampfhaft, wie er Mark dazu bewegen konnte, endlich abzuhauen.
»Geh und laß mich allein!«
»Harv, das geht nicht. Wir müssen deine Frau begraben. Hast du eine Schaufel?«
»Oh.« Harvey öffnete die Augen. Der Raum war immer noch durch surrealistische Lichter erhellt. Merkwürdig, daß er den Donner nicht mehr gehört hatte. Er stand auf. »In der Garage ist eine Schaufel, glaube ich. Danke.«
Sie hoben im Hinterhof ein Grab aus. Harvey wollte es allein tun, doch schon bald verließen ihn die Kräfte, und Mark nahm ihm die Arbeit ab. Die Schaufel knirschte, der Boden war hart und rutschte schneller nach, als Mark schaufeln konnte. Die Erde quietschte und fiel immer wieder von der Schaufel. Und es donnerte.
»Wie spät ist es?« rief Mark. Er stand in einem knietiefen Loch, seine Stiefel standen fast unter Wasser.
»Es ist Mittag.«
Harvey schaute sich um, aufgescheucht durch die Stimme, die hinter ihm ertönte. Joanna hockte über ihnen am Abhang, der Regen lief ihr übers Gesicht. Sie hielt wachsam eine Flinte in der Hand.
»Tief genug«, sagte Mark. »Bleib hier, Harv! Jo, gehen wir hinein! Gib Harvey das Gewehr!«
»In Ordnung.« Sie kletterte vom Hügel runter, eine kleine Person mit einem gewaltigen Gewehr. Sie reichte Harvey wortlos die Waffe.
Er stand im Regen, hielt Wache und schaute in das leere Grab.
Wäre jemand hinter ihm aufgekreuzt, er hätte es nicht bemerkt, oder er hätte sich nicht darum gekümmert. Kaum daß er Mark und Joanna bemerkt hatte.
Den großen Mark und die zierliche Joanna, die ein Bündel trugen, das in eine Decke eingeschlagen war. Harvey trat zu ihnen, um zu helfen, aber er kam zu spät. Die beiden senkten den Leichnam ins Grab. Wasser benetzte die Decke von unten und von oben. Es war eine Heizdecke, wie Harvey feststellte, Lorettas Heizdecke. Sie konnte es bei Nacht nicht warm genug haben.
Mark ergriff die Schaufel, Joanna nahm das Gewehr. Mark schaufelte zügig.
Quietsch, plopp . Harvey zermarterte sich das Gehirn, um ein passendes Wort zu finden, aber ihm wollte nichts einfallen. Schließlich sagte er nur »Danke«.
»Schon gut. Willst du ein paar Worte sprechen?«
»Ich sollte wohl«, sagte Harvey. Sein Blick irrte zum Haus, aber er konnte sich nicht aufraffen, hineinzugehen.
»Hier. Das habe ich im Schlafzimmer gefunden«, sagte Joanna. Sie zog einen schmalen Band aus der Tasche.
Es war Andys Konfirmationsgebetbuch. Wahrscheinlich hatte es Loretta in ihr Notgepäck gelegt. Er war sich da ziemlich sicher. Harvey schlug die Totengebete auf. Der Regen weichte das Blatt auf, bevor er den Text lesen konnte, doch er fand eine Zeile, die er jetzt halb vorlas und halb aus der Erinnerung sprach.
»Herr, gib ihr die ewige Ruhe, das ewige Licht leuchte ihr.« Weiter kam er nicht.
Nach einiger Zeit führten Mark und Joanna Harvey ins Haus.
Sie setzten sich an den Küchentisch. »Wir haben nicht viel Zeit«, sagte Mark. »Ich glaube, wir haben das Gesindel gesehen.«
»Sie haben auch Frank Stoner umgebracht«, setzte Joanna hinzu.
»Wer war’s?« fragte Harvey. »Wie haben sie ausgesehen? Können wir die Hunde aufspüren?«
»Das erzähl’ ich dir später«, sagte Mark. »Zunächst müssen wir packen und losziehen.«
»Du sagst es mir sofort!«
»Nein.«
Joanna hatte das Gewehr an den Tisch gelehnt. Harvey nahm es ruhig in die Hand und prüfte die Ladung. Er spannte einen der Hähne. Seine Ausbildung an der Waffe war tadellos, er zielte dabei auf keinen. »Ich will es wissen«, sagte Harvey Randall. »Es waren Motorradfahrer«, sagte Joanna schnell. »Ein halbes Dutzend, die einen großen blauen Wagen eskortierten. Wir sahen sie aus der Fox Lane herausfahren.« »Diese Himmelhunde!«
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