Luzifers Hammer
Bewußtsein. »Können Sie mich verstehen?«
»Ja. Sind Sie die russische Astronautin?«
»Ja. Wie oft wurden Sie getroffen?«
»Sechsmal. Schrappnells. Meine Därme brennen.«
Als sie nach seinem Puls fühlte, humpelte Tim aus dem Zimmer. Eileen folgte ihm und zupfte ihn am Ärmel. »Du bist verwundet. Bleib hier!« sagte sie.
»Ich blute nicht. Ich kann wiederkommen. Irgendeiner muß George das mit seinem Schwager sagen. Und da ist noch etwas, das ich unbedingt erledigen muß. Wir brauchen Verstärkung! Umgehend!«
Er konnte es an ihrem Gesicht ablesen: Keiner war an solchen Neuigkeiten interessiert. Sie hatten gekämpft und gesiegt, und keiner wollte etwas von weiteren Kämpfen wissen. »Wir haben keinen Arzt im Werk«, sagte Tim. »Keiner wollte das Eisen aus mir herausholen.«
»Geh zurück ins Lazarett!« befahl Eileen.
»Das werde ich auch. Aber die Polizisten kommen zuerst, sie sind schlimmer dran als ich. Die Werkskrankenschwester hat ein Sulfonamid in die Wunde geträufelt und mit steriler Gaze bedeckt. Das reicht für eine Weile. Ich muß mit Hardy sprechen.« Es fiel ihm schwer, seine Gedanken zu ordnen. Seine Hüfte brannte, und der Schmerz trübte sein Denkvermögen.
Er stützte sich auf Eileen, während sie über den schmalen Weg aufs Rathaus zugingen. Verdammt, sie waren schon wieder eingekreist. Steve Cox, Jellisons Vormann, fragte: »Hammer, was ist denn passiert?« Und irgendeiner brüllte: »Laß ihn in Ruhe! Er soll uns allen berichten.« Und wieder ein anderer: »Hammer, wollen Sie das trinken?«
Tim entdeckte die halbleere Flasche, die er immer noch in der Hand hielt, und bereute es.
»He!« rief Steve Cox. »Gebt ihm das Zeug. Kommen Sie, Mann! Trinken Sie einen mit uns! Wir haben gesiegt!«
»Das geht leider nicht. Ich muß mit dem Senator sprechen. Wir brauchen dringend Hilfe.« Er spürte deutlich, wie Eileen sich versteifte, und merkte, daß die anderen ebenso reagierten wie sie: Sie haßten ihn wegen der schlechten Nachrichten, die er brachte. »Wir können keinen weiteren Angriff mehr abwehren«, sagte Tim. »Sie haben uns zuviel Schaden zugefügt.«
»Nein. Es muß vorbei sein«, vernahm er Eileens Flüstern.
»Ich dachte, es sei alles vorbei«, sagte Tim.
»Das denkt jeder.« Eileen sah bekümmert aus. Ihre Miene sollte Tim Hamner erweichen, aber es war nicht der Fall. »Keiner will mehr kämpfen«, sagte Eileen. »Wir wollen nicht mehr!« rief Joanna McPherson mit hoher, klarer Stimme. »Wir haben diese Hundesöhne abgeschlachtet, Tim!« Sie drängte sich zu ihm durch und schob ihre Schulter in Tims andere Achselhöhle. »Es sind nicht genug von ihnen übriggeblieben, um einen neuen Kampf zu wagen. Sie haben sich aufgeteilt und behaupten, nie etwas von der Brüderschaft gewußt zu haben. Es würde auch nicht mehr klappen. Wir würden sie aufstöbern.« Joanna hatte Blut geleckt. Plötzlich sagte sie: »Wie geht es Mark?«
»Mark geht es gut.« Tim merkte erst jetzt, worauf er sich da eingelassen hatte. Ein hoffnungsloses Unterfangen. Aber es mußte sein! Sie mußten es begreifen! Und darum setzte er hinzu: »Er ist gesund, guter Dinge und sauberer als ihr alle. Die haben heiße Duschen und Waschmaschinen im Kraftwerk.«
Vielleicht würde das helfen.
In einem Zimmer abseits des Konferenzraums im Rathaus versuchte Rick Delanty seine Ehre gegen Ginger Down zu verteidigen, die fest entschlossen schien, ihn mit nach Hause zu nehmen.
Ihr aber schien die ganze Sache Spaß zu machen. »Brauchst mich nicht zu heiraten, weißt du.«
Sie lachte, als er keine Antwort gab. Ginger Down war eine gut erhaltene Enddreißigerin, ihr langes braunes Haar war straff gebürstet, wahrscheinlich zum ersten Mal seit dem Hammerfall.
»Wenn’s dir gefällt, kannst du bei mir einziehen. Wenn nicht, gehst du eben am nächsten Morgen. Kein Mensch wird sich darum kümmern. Weißt du, das hier ist nicht Mississippi. Wahrscheinlich gibt es im Umkreis von tausend Meilen keine schwarze Frau mehr außer den Kannibalen.«
»Gut, ich gebe zu, daß es mich nervös macht«, sagte Rick.
»Die ganze Situation geht mir auf den Wecker. Doch das ist nicht alles. Ich habe Trauer.«
Vielleicht wäre er weniger nervös gewesen, wenn er und Ginger nicht gezwungen gewesen wären, den Gesang im großen Raum nebenan zu übertönen. Nicht unbedingt jeder traf den richtigen Ton, zumindest aber klang es schön laut.
Die Messer konnten rosten
von seinem fetten Speck,
er hieb nur in die Borsten
und fraß
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