Luzifers Kathedrale
Menschen gehören, aber es setzte ein Zeichen.
Wie nannten die Menschen die Kirche?
Luzifer’s Kathedrale!
Nie war ihm der Name so passend vorgekommen wie in diesem Augenblick...
***
»Bitte, Julian, auch wenn der Tee dir nicht schmeckt, aber er hilft und ist Medizin.«
Lena McBell sprach sehr leise mit ihrem Mann, als sie ihm die frisch gefüllte Tasse brachte.
Der Schäfer schaute kurz hoch. »Danke.«
»Möchtest du sonst noch etwas?«
»Nein, nicht. Nur nachdenken.«
»Okay, aber wenn du was brauchst, dann sag es.«
»Klar.«
Julian McBell saß vor dem Kamin in einem Sessel. Er war bis auf eine frische Unterhose nackt, und seine Frau hatte ihn in zwei Decken eingewickelt. Sie hatte ja erlebt, wie er sein Zuhause erreicht hatte. Völlig durchnässt und an allen Gliedern zitternd.
Lena McBell war ein Mensch, die keine Fragen stellte. Sie stammte von der Insel Rousay, die weiter im Norden lag, und sie hatte es gelernt, zu schweigen. Sie gehörte auch nicht zu den Frauen, die sich unbedingt selbst verwirklichen wollten, sondern war der Meinung, dass das Schicksal oder der Liebe Gott jeden Menschen an seinen Platz gestellt hatte, an den er auch hingehörte.
Vor 15 Jahren hatte sie ihren Mann auf einem Ball kennen gelernt, sich verliebt und ein Jahr später war die Hochzeit gewesen. Sie hatte gewusst, dass ihr Leben kein Zuckerschlecken werden würde, aber das war das ihrer Eltern und ihrer Großeltern auch nicht gewesen. Daran war sie eben gewöhnt.
Die Ehe hatte zwei Kinder hervorgebracht, die momentan bei den Großeltern auf Rousay zu Besuch waren und fast bis zum Weihnachtsfest bleiben würden. Beide waren nur ein Jahr auseinander, und erst im nächsten Jahr würde der Ältere in die Schule kommen. Dann war es mit den Besuchen außerhalb der Ferien vorbei.
Das Ehepaar hatte die Kinder recht spät bekommen. Das war auch gut so gewesen, denn Lena hatte heftig dabei mitgeholfen, eine Existenz aufzubauen.
Tagsüber war sie allein. Erst am Abend kehrte ihr Mann zurück, aber sie hatte ihn noch nie in einem derartigen Zustand erlebt wie an diesem Abend.
Er war noch schweigsamer gewesen als sonst. Und auch nass bis in die Strümpfe hinein. Und ihr war noch etwas an ihm aufgefallen, und das schon beim ersten Blick in seine Augen.
Sehr deutlich hatte sie darin den ängstlichen Ausdruck gesehen. So etwas kannte sie bei Julian nicht. Es war der Beweis dafür, dass er etwas Schlimmes erlebt haben musste.
Es brannte ihr auf dem Herzen, ihn danach zu fragen, doch sie getraute sich nicht. Sie kannte ihren Mann. Er sprach nur, wenn er es wollte und für richtig hielt. Irgendwann würde er ihr schon sagen, was ihn bedrückte, und dann konnten sie gemeinsam überlegen, wie es weiterging.
Lena war in die Küche gegangen. Es regnete noch immer, und die Tropfen prasselten hart gegen die Fensterscheiben. Der Sturm war zwar abgeflaut, doch er heulte noch immer um das kleine Haus herum, als wollte er es auseinanderreißen.
Die Tür hatte sie nicht geschlossen. So konnte sie, wenn sie den Kopf drehte, ins Wohnzimmer schauen und dort ihren Mann im Sessel sitzen sehen, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.
Sie backte etwas Gebäck, schon für Weihnachten, und die Rezepte hatte sie noch von der Großmutter bekommen, die erst vor drei Jahren verstorben war.
Ein feiner Geruch aus Zimt und Vanille durchzog die Küche, doch Julian hatte dies mit keinem Wort erwähnt, obwohl er den Geruch so liebte. Je mehr Zeit verstrich, desto tiefer malten sich die Sorgenfalten auf ihrem Gesicht ab.
Sie dachte nach.
Ob Julian krank war? Eine Krankheit, die schon länger in ihm steckte und jetzt zum Ausbruch gekommen war? Nein, das konnte es nicht sein, wenn sie sich an den Ausdruck seiner Augen erinnerte. Darin hatte sie nur die Angst gelesen.
Auch einen Unfall hatte er nicht gehabt, und Lena stand wirklich vor einem Rätsel.
Sie schaute auf den ausgerollten Teig, in den sie die Förmchen stecken wollte. Sterne, Sonnen, Tiere wie Hunde und Katzen, Fische und Weihnachtsmänner, das war alles zu sehen und würde bald im Ofen gebacken werden. Einige der kleinen Kunstwerke bestrich sie mit einer Schokoladenmasse und streute noch einige bunte Liebesperlen darüber.
Lena McBell hatte sich auf die Weihnachtszeit gefreut, die sie seit ihrer Kindheit so liebte. Der Advent, die Erwartung auf das Fest, es hatte ihr immer so gefallen, aber jetzt war mit einem Schlag alles zerstört worden.
Der Kranz mit den vier Kerzen stand im Wohnraum. Sie
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