Luzifers Kathedrale
Gedanken gehabt, Julian.«
»Welchen?«
»Vergiss es.«
»Nein, du musst es sagen. Wenn du schon Andeutungen machst, dann musst du dich denen auch stellen.«
»Ja, das kann sein. Okay, ich wollte dir sagen, dass wir eventuell in einer großen Gefahr schweben. Schließlich bist du ein Zeuge gewesen und hast etwas gesehen, was du nicht sehen solltest. Ich meine, das muss nicht so sein, es ist mir nur gerade durch den Kopf gegangen. So etwas könnte doch sein – oder?«
Der Schäfer hatte gut zugehört und nickte jetzt. »Ja, Lena, so weit ist das nicht entfernt. Ich habe beides gesehen. Dieses Tier in der Kathedrale und das schreckliche Gesicht mit seinen toten Augen und dem blutigen Mund. Und ich weiß auch, dass beides etwas zu bedeuten hat, aber ich kann mir nicht vorstellen, was es ist. Ich habe keine Ahnung. Es gibt keine Erklärung.«
»Willst du auch nicht nach einer suchen, Julian?«
»Ja... vielleicht. Mal schauen, ob das überhaupt möglich ist. Rational bestimmt nicht.«
»Und jetzt?«
Der Schäfer stand auf. Er leerte sein Glas im Stehen. Die Decke hielt an seinem Körper, weil Lena sie auf dem Rücken festgeknotet hatte. »Jetzt müssen wir uns überlegen, wer uns helfen könnte.«
»Ich wüsste keinen.«
»Genau das ist das Problem. Ich kenne auch niemanden. Wir sind auf uns allein gestellt.«
Lena brauchte einige Sekunden, um den Satz zu begreifen. »Moment mal, was meinst du damit?«
»So wie ich es gesagt habe. Wir werden gegen diese Macht angehen müssen.«
»Aber du hast doch selbst gesagt, dass es so gut wie unmöglich ist. Du hast die Angst erlebt, Julian. Wie könnten wir das Grauen denn stoppen? Wir sind nicht stark genug.«
»Leider. Aber wir werden uns immer wehren, und ich bin nur froh, dass die Kinder nicht hier sind.«
Lena erbleichte. »Oh Gott«, flüsterte sie, »an die habe ich gar nicht mehr gedacht.«
»Das hättest du aber tun sollen.«
Sie fuhr durch ihr Haar. »Nein«, sagte sie dann, »wir werden nichts tun. Ich will nicht, dass unsere Kinder als Waisen aufwachsen, und ich denke, dass es sogar am besten ist, wenn du keinem Menschen etwas von dem erzählst, was du erlebt hast.«
»Ja«, sagte er und nickte. »Das werde ich auch. Aber ich habe trotzdem noch etwas vor.«
»Was denn?«, flüsterte sie ängstlich.
»Ich ziehe mir jetzt trockene Sachen an und möchte etwas essen.« Er lächelte. »Komisch, jetzt bekomme ich plötzlich Hunger.«
Lena wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie warf sich in die Arme ihres Mannes und flüsterte: »Ich liebe dich...«
***
Wenn der Reporter etwas vorbereitete, dann tat er dies gründlich. Nur das garantierte auch einen Erfolg, und so klappte am nächsten Tag alles wie am Schnürchen.
Es war Wochenende, Samstag, und ich hatte Suko über meine Reise informiert.
»He, du willst wirklich bei diesem Wetter...«
»Würdest du nicht fliegen?«
»Schon, aber...«
»Willst du mit?«
Diese Frage hätte ich nicht stellen sollen, denn ich hörte Shao’s Protest. Sie verwandelte sich in ein Temperamentbündel und sprach davon, was Suko ihr versprochen hatte. Er wollte an diesem Tag mit ihr einkaufen gehen. Das war bereits seit längerem geplant, und das sollte auch nicht geändert werden. Es ging um Weihnachtsgeschenke, die besorgt werden mussten, und als ich Suko’s ergebenen Blick sah, war mir klar, dass er nicht mitkommen würde.
»Gut, dann segeln Bill und ich alleine los.«
Viele Fragen konnte er auch nicht mehr stellen, denn es drängte die Zeit.
Der Flug bis Edinburgh verlief problemlos. Dort stand eine Chartermaschine bereit, die Bill besorgt hatte. Der Pilot war schon älter und ziemlich schweigsam. Er wollte seinen Lohn cash auf die Kralle haben, was er auch bekam, und wurde dann etwas gesprächiger.
»Ihr habt Glück heute.«
»Warum?«
Der Mann grinste. »Gestern tobte über den Orkney’s ein Sturm, der es in sich hatte. Da wäre ich um kein Geld in der Welt geflogen. So aber lässt sich darüber reden.«
Bill grinste. »Wir sind eben richtige Glückspilze.«
Als wir die Maschine sahen, hatte ich schon meine Zweifel. Sie kam mir so leicht vor, als würde sie von jedem kräftigen Windstoß zur Seite gefegt werden.
Der Pilot bemerkte meinen skeptischen Blick und klopfte mir auf die Schulter. »Keine Sorge, Mister, runter kommen wir immer.«
»Klar. Fragt sich nur wie.«
»Ich fliege schon seit fast dreißig Jahren und bin immer gut gelandet, abgesehen von ein paar Ausnahmen, aber die habe ich
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