Luzifers Kathedrale
kein Grund, sich Sorgen zu machen, denn die Ruhe in einer Kirche kann etwas Heiliges sein. Hier dachte ich eher an das Gegenteil, und ich ging weiter, immer darauf wartend, dass mich jemand plötzlich aus der Finsternis hervor angriff.
Es war anders als beim ersten Mal. Es gab keine Attacke. Da tat sich wirklich nichts. Man hätte meine Umgebung als friedlich bezeichnen können, doch dieser Frieden war mehr als trügerisch.
Etwa in der Mitte der Kirche blieb ich stehen und leuchtete dann in die Höhe, um die Decke zu treffen. Selbst das Licht meiner Lampe kam mir kälter vor als sonst. Wären plötzlich Eiskristalle auf mich gefallen, hätte es mich auch nicht gewundert.
Der Lichtkreis erreichte sein Ziel und wanderte an der Decke entlang. Auch dort suchte ich nach einer Bewegung, denn ich hatte den Schatten nicht vergessen. Diesmal ließ er mich im Stich. Er zeigte sich nicht, und so wanderte der Kegel weiterhin über die Decke hinweg in Richtung der Stelle, wo es mal einen Altar gegeben hatte und jetzt nur ein freier Fleck zu sehen war.
Kein Schatten, keine Monster. Die Kathedrale schwieg. Dem Frieden traute ich nicht, denn alles konnte sich von einem Augenblick zum anderen ändern.
Und das passierte.
Urplötzlich war es mit der Stille vorbei.
Sie kamen von oben!
Plötzlich war es mit meiner Ruhe vorbei. Das Herz klopfte mir schneller.
Wieder drehte ich mich auf der Stelle, den Strahl der Lampe und den Blick in die Höhe gerichtet. Es war auch weiterhin nichts zu sehen, aber etwas zu hören.
Zuerst ein Kratzen...
Ich hielt den Atem an.
Das ungewöhnliche Kratzen verschwand und schuf einem anderen Geräusch Platz.
Es hörte sich an wie ein Poltern, als hätte sich an der Decke etwas gelöst. Das stimmte nicht. Sie blieb glatt. Sie zeigte weder Risse noch Spalten, und es fiel auch nichts nach unten.
Dennoch blieb das Geräusch. Da mir meine Ohren keinen Streich spielten und ich auch ein völlig normales Gehör besaß, fand ich ziemlich schnell heraus, woher das Geräusch kam.
Nicht unter der Decke, sondern vom Dach her. Das musste außen aufgeklungen sein.
Plötzlich stand ich wie auf heißen Kohlen. Wieder rann das Kribbeln über meinen Rücken hinweg. Das Zeichen der Spannung. Mir fiel ein, was sich auf dem Dach befand.
Nur Zeichen aus Stein. Aber es befanden sich auch ungewöhnliche Monster dabei, und das wiederum brachte mich auf eine Idee, die allerdings sofort wieder aus meinem Kopf verschwand.
Nein, da oben gab es kein Leben.
Oder doch?
Der Gedanke wollte mich einfach nicht loslassen.
Ich hörte wieder dieses Schaben oder Kratzen. Vielleicht sogar ein Fauchen, so genau fand ich das nicht heraus, aber es war schon irgendein Laut, der mir ein Prickeln über den Nacken schickte.
Über mir passierte etwas. Aber nicht innen, sondern auf dem Dach mit all seinen ungewöhnlichen Zeichen und Formen. Mir wollte auch die Beschreibung des Schäfers nicht aus dem Kopf. Der Mann hatte von einer schrecklichen Gestalt gesprochen mit zerrissenem Blutgesicht und toten Augen. Er hatte sich nicht vorstellen können, wen genau er so über der Kirche hatte schweben sehen, wobei ich davon überzeugt war, dass es sich um einen gefährlichen Dämon handelte oder um die Gestalt, die über Luzifer’s Kathedrale herrschte. Sie hatte wohl in der Vergangenheit ihre Zeichen gesetzt, die bis in die Gegenwart hineinreichten.
Abwarten, lauern und auf die Neugierde achten, die immer stärker wurde. Ich konnte dem Drang einfach nicht widerstehen. Ohne lange zu überlegen, hatte ich einen Entschluss gefasst.
Ich musste hoch!
Hätte ich Bill Conolly Bescheid gegeben, hätte er sich aufgeregt oder mitgewollt. Das genau kam für mich nicht in Frage. Den Weg musste ich allein gehen. Aber wie hochkommen?
Ich konzentrierte mich und kramte in der Erinnerung. Ich war schon auf der Galerie mit der Orgel gewesen und hatte mich dort umschauen können. Wenn mich nicht alles täuschte, dann war die Treppe dort nicht zu Ende. Sie führte noch weiter hinauf, das hatte ich zumindest im Ansatz gesehen, und jetzt war ich gespannt, ob die Treppe mich bis auf das Dach bringen würde.
Der Lichtstrahl zeigte mir den Weg. Ich lief wieder zurück, passierte das Weihwasserbecken, das wie ein starrer Eisschatten wirkte und stieg dann die Treppe zur Orgel hin hoch.
Diesmal schaffte ich es schneller. Auf der Galerie blickte ich mich um. Ich leuchtete in die Ecken hinein, strahlte noch mal nach unten, wo alles ruhig geblieben war und lächelte,
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