Luzifers Kathedrale
Grauen wohnte in ihr, ohne sich nach außen hin zu zeigen.
Für mich war sie eine Insel, in der sich das Böse versteckte. Man hatte der Hölle einen Stützpunkt geschaffen, was mir nicht neu war. Ich hatte diese Stützpunkte überall auf der Welt erlebt, doch hier sah es anders aus. Hier hatte die Dunkle Macht das überwunden, was sie einmal besiegt hatte. Und genau das war das Schlimme.
Bill trat dicht an mich heran, so dass er in mein Ohr flüstern konnte. »Wenn ich dich so sehe, habe ich das Gefühl, als denkst du über einen Alleingang nach.«
»Wie kommst du darauf?«
»Hör auf, ich kenne dich.«
»Stimmt.«
Der Reporter trat zurück. Er schluckte und flüsterte: »Du willst wirklich allein hinein und...«
»Ja. Ich stelle mich den Kräften. Ich vertraue dabei auf mein Kreuz. Es muss ein Ende gemacht werden, Bill.«
»Dann gehe ich...«
»Nein, bitte nicht. Du bleibst hier. Zusammen mit Julian McBell. Es ist gut, wenn ich eine Rückendeckung habe. Vorausgesetzt, der Mann will noch bleiben.«
»Bestimmt. Sonst wäre er nicht gekommen.«
»Das sehe ich auch so.«
Bill strich über seinen Nacken. Dass er nervös war, sah ich ihm an. Er schluckte auch, bewegte sich unruhig auf der Stelle, schaute immer wieder an der Außenmauer entlang und lächelte schließlich. »Ich kenne dich ja, Alter. Aber sollte sich McBell zurückziehen, dann gehe ich mit hinein. Verlass dich darauf.«
»Frag ihn.«
»Werde ich machen.«
Ich wurde einfach das Gefühl nicht los, dass die Kathedrale ungemein wichtig war. Sie war das Zentrum. Sie war der Anfang und zugleich auch das Ende, und ich wollte, dass sie ihre Rolle in der Zukunft nicht mehr weiterspielte. Ich wollte sie frei haben. Oder zerstören. Luzifer oder wer immer durfte seinen Stützpunkt nicht behalten.
Neben mir hörte ich das Räuspern und blickte zu meinem Freund Bill.
»Und? Hast du dich entschieden?«
»Ja.« Er zeigte kurz auf den Schäfer. »Ich habe ihn nicht überreden können, wieder nach Hause zu gehen. Er will bleiben. Er hasst den verdammten Bau. Er hat nicht vergessen, dass er angegriffen wurde. Er will so etwas wie Rache.«
»Okay, Bill. Vier Augen sehen mehr als zwei.«
»Moment mal. Wie kommst du darauf? Erwartest du, dass hier etwas aus dem Ruder läuft?«
»Das ist durchaus möglich. Ich bin sogar davon überzeugt, dass die Dinge nicht nur im Innern präsent sind, sondern sich auch nach außen hin zeigen. Rechne bitte mit allem, Bill.«
»Ja«, sagte er. Es hörte sich nicht eben optimistisch an. »Aber wenn du in Schwierigkeiten gerätst, dann bitte...«
»Alles klar.«
Ich winkte den beiden noch mal zu und machte mich auf den kurzen Weg ins Zentrum...
***
Früher hatte es dort einen kleinen Fußballplatz gegeben, aber die Tore waren längst abgerissen, und niemand bolzte mehr auf diesem unebenen Stück Land. Der Platz war an einer anderen Stelle angelegt worden, aber es gab den ersten noch, und der diente den Männern aus Lyness als Versammlungsort.
Alle, die Bescheid wussten, waren gekommen.
Auch der Schmied mit seinem Wagen, auf dem er das Feuer in Brand setzen wollte. Gezogen wurde es von einem Traktor, den ein anderer lenkte.
Die Bewohner von Lyness kamen aus dem Dunkel wie unheimliche Gespenster.
Sie bewegten sich schon jetzt leise. Sie trugen Fackeln bei sich, die allerdings nicht brannten.
Luke Plummer, der Anführer, stand neben dem Fahrzeug. Er fühlte sich in seiner Haut nicht wohl, doch er wusste sehr genau, was zu tun war und dass es keinen anderen Weg gab. Er musste es durchziehen, und nichts würde ihn davon abhalten können.
Sie schauten in die Runde. Die Augen bewegten sich schnell. Die Blicke wirkten irgendwie verstört. Niemand traute sich, ein Wort zu sagen. Sie alle wussten, was ihnen bevorstand und dass sie eigentlich nicht die richtigen Leute dafür waren. Aber ihnen war auch klar, dass es keinen anderen Weg gab. Das alte Unheil war wieder erwacht. Ihre Vorfahren hatten einen schrecklichen Fehler begangen, vor dessen Folgen sie die Menschen aus Lyness bewahren wollten.
»Wer fehlt noch?«
»George«, sagte jemand. »Er kommt später.«
»Warum? Er weiß doch Bescheid.«
»Er hat überraschend Besuch bekommen. Jetzt sucht er nach einer guten Ausrede, um zu verschwinden.«
Es passte Plummer nicht. Der Mann schob das Ende seines Handschuhs zur Seite, um einen Blick auf die Uhr werfen zu können. Die Zeit blieb nicht stehen. Die Dunkelheit wurde immer dichter, und innerhalb der nächsten Stunde
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