Lycana
Witterung auf. Die Spur führt zu der verlassenen Hütte dort drüben unter der Baumgruppe.«
»Du hast in dieser Gestalt die schärferen Sinne. Doch was geht es uns an, dass die Hütte nicht mehr verlassen ist?« Dennoch folgte Peregrine der Vampirin. Vorsichtig schlüpften sie zwischen Dornen und Buschwerk hindurch, darauf bedacht, sich durch keinen Laut zu verraten, bis sie die Hütte sehen konnten, die wie geduckt unter den Zweigen eines der wenigen alten Bäume stand, die noch nicht Opfer der Äxte und zu Baumaterial für die königliche Flotte Englands geworden waren.
»Siehst du«, wisperte Áine und deutete auf die mit grobem Stoff verhängten Fenster, durch die dennoch ein rötlicher Schein nach außen drang.
»Ja, da sind Menschen. Aber was kümmert uns ihr Geschick? Du solltest lieber zusehen, dass du rechtzeitig zur Burg zurückkehrst. Die Sonne ist nah.«
»Siehst du das Zeichen dort auf der Schwelle? Ich kenne es! Wie lange habe ich es nicht mehr gesehen«, sagte sie, und ihre Stimme klang träumerisch und wie von fern.
Peregrine hörte ihr nicht zu. Er blickte angestrengt den Pfad entlang, der vom Hügel herab auf die Hütte zuführte. »Ich wittere die kleinen Brüder. Wie ungewöhnlich, dass sie sich zu dieser Zeit so nah an die Menschen heranwagen.«
Áine sah sich suchend um. Plötzlich wurde sie von Peregrine gepackt. Er zog sie an sich, wie um sie zu beschützen. »Schnell, weg von hier. Dort ist noch ein Mensch unterwegs. Ich weiß es, obwohl ich ihn nicht hören kann.«
Verwirrung breitete sich auf seinem Gesicht aus. Auch Áine sah sich irritiert um. Sie konnte die Wölfe riechen, aber was war das für ein Mensch, den man ahnte und doch nur wie einen flüchtigen Schemen wahrnehmen konnte?
»Ihr solltet diesen Ort jetzt verlassen«, erklang eine Stimme ganz nah. Sie war gütig und voller Wärme. Dann trat eine Frau zwischen den Büschen hervor. Die Zweige rauschten, als die beiden grauen Wölfe ihr folgten und sich neben ihr auf die Hinterbeine niederließen. Áine und Peregrine starrten die Alte für einige Augenblicke wortlos an.
»Es tut mir leid, wenn euch die alte Magie verwirrt hat. Ich ziehe es vor, am Tag und in der Nacht unbemerkt zu wandern«, fügte sie hinzu und legte mit ihrem Lächeln ihr wettergegerbtes Gesicht in tausend Falten.
»Tara, was tust du hier?«, wollte Áine wissen.
»Ich bin immer auf der Wanderschaft, durch die Berge und Moore, hinauf in den Norden und wieder zurück, seit ich meinen Druidenstab zum ersten Mal in die Hand genommen habe. Doch ich sollte fragen, was euch hier zusammengeführt hat.« Sie sah von Áine zu Peregrine, der noch immer den Arm um ihre Taille gelegt hatte, und seufzte dann. »Nein, ich frage lieber nicht. Manches Mal ist es besser, nicht alles zu wissen.«
»Du wirst doch niemandem davon erzählen?«, sagte Áine erschrocken.
»Was ich nicht weiß, kann ich auch nicht erzählen. Ich bin heute Nacht nur durch das einsame Moor gewandert.«
Áine lächelte die Druidin an. »Ich danke dir, Tara. Bist du auf dem Weg nach Aughnanure? Soll ich dich begleiten?«
Tara nickte. »Ja, ich werde in der Burg vorsprechen und Gareth einen Besuch abstatten. Doch ich bin eine alte Frau und nicht so schnell zu Fuß. Du dagegen bist wie der Wind in den Wipfeln. Eile und kehre heim!«
Áine legte die Hand auf die Brust und verneigte sich. »Dann werde ich dich heute Abend sehen.« Sie drückte noch einmal Peregrines Hand, dann war sie auch schon verschwunden. Flink und geräuschlos wie der Schatten einer Wolke, die im Sturmwind über das Land huscht.
Die Druidin wandte sich Peregrine zu. »Auch für dich wird es Zeit. Es ist die Stunde, da die Jäger in die Höhlen zurückkehren. Sie sollten dich nicht vermissen, oder?«
»Und du? Was machst du hier? Es ist kein Zufall, dass wir dich hier treffen. Du bist uns doch nicht etwa gefolgt?« Er sah sie mit misstrauisch zusammengezogenen Brauen an.
Die alte Frau hob abwehrend die Hände. »Euch gefolgt? Aber nein. Unser Zusammentreffen ist ein Zufall, nicht jedoch, dass ich hier an diesem Ort bin, das hast du richtig erkannt.« Sie ging ein paar Schritte auf den Eingang der Hütte zu.
»Warum nur interessieren sich heute Nacht alle für diese armselige Hütte und die vermutlich genauso armseligen Menschen in ihr?«, fragte er mürrisch.
Tara wandte sich zu ihm um und betrachtete ihn nachdenklich. »Weißt du, in solchen armseligen Hütten werden zuweilen die Geschicke ganzer Länder bestimmt. Hat
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