Lycana
Ivy und führte die Freunde auf die letzten freien Plätze zu.
Luciano, gab sich desinteressiert, obwohl Ivy seine Gier spüren konnte. Betont langsam schlenderte er zu dem freien Hocker neben Tammo. Alisa und Ivy nahmen ihm gegenüber Platz.
»Ah, das habe ich gebraucht«, sagte Alisa.
»Es ist Schafsblut«, gab Maurizio Auskunft. »Sie halten ihre eigene Herde für jene Lycana, die das Ritual noch nicht vollzogen haben.«
Ivy nickte. »Ja, sie haben die Herde über den Sommer um ein Vielfaches vergrößert, damit ihr alle satt werdet.« Sie betrachtete Luciano von der Seite. Seine Hände zitterten ein wenig, und es schien ihn alle Kraft zu kosten, dem Drang, das Blut hinunterzustürzen, nicht nachzugeben.
»Du bist über den Sommer gewachsen«, sagte sie.
Luciano hob den Blick und strahlte sie an. Für einen Augenblick hatte er seinen Blutdurst vergessen.
Als die Servienten die Becher abgetragen hatten, fand Alisa endlich die Gelegenheit, Ivy die Frage zu stellen, die sie nicht losließ.
»Wo warst du?« Wie gut wäre es jetzt, wenn sie Franz Leopolds Kräfte besäße.
Dass der Wiener noch immer zu nah saß, merkte sie gleich. Er hatte den Gedanken offensichtlich aufgefangen, denn er verbeugte sich leicht in ihre Richtung und formte die Worte: »Das würde dir bei ihr auch nichts nützen!«
Ivy lächelte Alisa an. »Ah, ich dachte mir bereits, dass du dich nicht so leicht abweisen lässt.«
»Ja, bitte sag es uns. Ich sterbe vor Neugier!«
»Diese Gefahr halte ich für äußerst gering«, gab Ivy zurück. »Sagen wir, Seymour und ich hatten einen anstrengenden und sehr lehrreichen Sommer.«
»Lehrreich? Ihr hattet zusätzlichen Unterricht?«
Ivy schmunzelte. »So könnte man es auch nennen.«
»Was? Ist das dein Ernst? Einen ganzen Sommer lang? Was für eine schreckliche Strafe«, rief Tammo laut.
Einige Lycana sahen von ihren Plätzen zu den Erben herüber, und der Vorwurf in ihrem Blick ließ Ivy, die zu einer Entgegnung angesetzt hatte, verstummen. Ein großer, schlanker Vampir war in die Mitte getreten und schlug die Saiten einer altmodischen Leier an. Sein langes Haar war ergraut, die dichten Augenbrauen jedoch noch schwarz, sodass sie seinem hageren Gesicht ein düsteres Aussehen verliehen.
»Das ist Turlough«, gab Ivy Auskunft. »Er ist kein Barde. Er gehört noch zu den filí und ist der älteste der Dichter. Keiner weiß, wie alt er ist. Selbst die Altehrwürdigen berichten nur, dass er schon immer durch die irischen Berge und Moore gestreift ist.«
»Was heißt immer?«, widersprach Luciano. »Wenn er ein Unreiner ist, dann muss er irgendwann als Mensch gelebt haben und dann gebissen worden sein, und falls er ein Vampir reinen Blutes der Lycana ist, muss er irgendwann geboren worden sein.«
»Wir können nicht sagen, ob er das eine oder das andere ist. Und er selbst ist nicht bereit, darüber zu sprechen.«
»Obwohl er hier mit euch auf Dunluce Castle wohnt?«
Ivy wehrte ab. »Aber nein, er bleibt nie länger als eine Nacht an einem Ort. Seit Jahrhunderten führt er nun das Leben eines reisenden Barden. Aber ursprünglich war er ein filí, einer der hoch angesehenen adeligen Dichter am Hof von Tara. Es geht das Gerücht um, dass er vom alten keltischen Hochkönig Laoghaire abstammt.«
»Dann wäre er doch ein Unreiner«, stellte Alisa fest. »Und vermutlich mehr als tausend Jahre alt! Ist das möglich? Wann hat dieser Hochkönig gelebt?«
»Das muss in der Mitte des 5. Jahrhunderts gewesen sein. Die Überlieferung schreibt, der heilige Patrick habe den heidnischen Hochkönig von Tara zum Christentum bekehrt. Man sagt, Turlough sei der jüngste Sohn des Königs gewesen. Allerdings nicht mit einer seiner Ehefrauen gezeugt, sondern mit einer Moorfee. Andere erzählen, es sei eine Zauberin gewesen, die Laoghaires Blut getrunken habe.«
»Oh!«
Die anderen schwiegen beeindruckt und lauschten dem Dichter, der nun seine Stimme erhob. Sie war tief und voll, umrankt von den Klängen der Saiten. Selbst in Tammos Miene trat ein verzückter Ausdruck. Allerdings hielt dieser nicht lange an. »Ich verstehe ihn nicht. Was sind das für seltsame Wörter? Singt er in Gälisch? Wovon handelt die Geschichte?«
»Es ist die Sage von der Meerfrau Albhine und Ruad, dem Sohn Rigdonns, König der Meermänner«, erklärte Ivy bereitwillig.
»Und, ist sie spannend?«
»Aber ja! Sie handelt von Liebe und Verrat, von Untreue und Rache wie so viele Geschichten.«
»Kann eine Liebesgeschichte
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