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Lycana

Lycana

Titel: Lycana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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weht köstliche Gerüche heran und beflügelt unsere Schritte. Hör auf, gegen ihn zu kämpfen. Atme tief und spüre seinen Duft mit allen Sinnen. Du musst ihn in dich aufnehmen und mit ihm reisen, denn auch du bist ein Teil dieser Natur.«
    Luciano unterdrückte seinen Widerspruch. Das hätte nur unnötig Kraft gekostet. Dennoch musste er zugeben, es war wirklich wunderschön hier und die Gerüche waren verheißungsvoll. Luciano sah auf das Meer hinaus, das im Mondlicht so silbern glänzte wie Ivys Haar.
    Sie verließen nun den Weg, der sich am Rand der senkrecht abstürzenden Klippen entlangschlängelte, und folgten einem steilen Pfad abwärts zu einer felsigen Plattform, die immer wieder von Wellen überspült wurde. Die Gischt zerstob in weißen Schaumfetzen um die regelmäßig geformten schwarzen Steinsäulen, die wie Treppen oder Mauerreste einer Burg aus dem Meer ragten.
    »Wir nennen es Giant’s Causeway«, erklärte Ivy. »Ist es nicht fantastisch? Die Druidin Tara behauptet, hier habe sich einst ein riesiger Vulkan erhoben, dessen schwarze Lavaströme sich, als sie kalt und hart wurden, in diese Säulen teilten, aber die Legende berichtet etwas anderes.«
    Luciano lauschte ihrer Geschichte über den Riesen, der einen Damm bauen wollte, und merkte plötzlich, dass sie nicht mehr am Ende der Gruppe liefen. Die Lauferei schien ihn nicht mehr so anzustrengen, obwohl der Pfad nun anstieg und in mehreren Stufen wieder auf die Klippe hinaufführte. Mal war der Untergrund schwarz und felsig, dann wieder von leuchtendem Rotbraun.
    Luciano wusste nicht, wie lange sie schon unterwegs waren, aber es schien ihm, als könne er nun immer weiterrennen. Ein Lachen stieg in seiner Kehle auf.
    »Was ist? Worüber lachst du?«, erkundigte sich Ivy.
    »Nichts Bestimmtes. Mir war einfach nur danach«, erwiderte Luciano.
    Sie liefen noch eine Weile, dann blieb Ainmire stehen und deutete auf eine Insel vor der Küste. Sie war nicht besonders groß, doch eine tiefe Schlucht trennte sie vom Festland. Mit Donnergetöse trieben die Wellen das Wasser durch den Spalt, dass die Gischt fast bis zu ihnen heraufspritzte. Eine schmale Hängebrücke führte auf die andere Seite.
    »Die Fischer kommen hier heraus, um Lachse zu fangen«, sagte Ivy zu Luciano, der hinter ihr die schwankende Brücke betrat. »Sie ziehen direkt um den Felsen herum. Daher nennen die Fischer ihn carrick-a-rede, also Fels im Weg.«
    »Und was machen wir nun?«, fragte Alisa, als sie alle drüben waren, und sah den Lycana fragend an, dessen langes Haar im Nachtwind flatterte.
    »Nun habt ihr Körper und Geist geläutert. Spürt die Kraft, die in Land und Meer wohnt, und nehmt sie in euch auf. Es gibt magische Orte, an denen Kraftadern zusammenlaufen. Dies ist einer von ihnen. Wenn ihr lernt, sie zu erspüren, könnt ihr euch an ihnen stärken.« Er streckte die Arme zu beiden Seiten aus und legte den Kopf in den Nacken.
    »Der ist ja total übergeschnappt«, schimpfte Anna Christina. Ihr Vetter Karl Philipp nickte.
    »Ich fand das Jahr in Rom schon reine Zeitverschwendung, aber das hier ist eine Farce, für die mir die Worte fehlen!«
    »Die Iren sind schon ein wenig seltsam«, sagte Ireen und sah zu Malcolm, als erwarte sie seine Zustimmung. Er zögerte.
    »Na ja, anders als wir sind sie auf alle Fälle.«
    »Sie sind verrückt!«, sagte Raymond ungewöhnlich bestimmt.
    Ainmire ließ die Arme sinken und sah zu den Dracas und den Vyrad hinüber, aber sein Tonfall blieb gelassen.
    »Nehmt so viel der Energie der Erde auf, wie ihr könnt, und dann suchen wir uns einen geeigneten Platz für eure heutige Lektion. Auf halbem Weg hierher habe ich am Fuß der Klippen viel  Leben gespürt. Dort werden wir beginnen.« Und schon war er verschwunden. Luciano wandte sich um und konnte ihn gerade noch von der Hängebrücke an Land springen sehen. Die beiden anderen Lycana folgten ihm auf dem Fuß.
    »Ich kann es nicht glauben. Wir sind für nichts und wieder nichts bis hierhergelaufen und müssen nun die halbe Strecke wieder zurück?«
    »Keineswegs für nichts!«, korrigierte ihn Ivy, die Seymour über die wackeligen Bretter half. »Hast du nicht zugehört? Dieser Ort stärkt uns. Kannst du es nicht fühlen?«
    Luciano wollte protestieren und ihr sagen, dass alles, was er spüren könne, Erschöpfung sei und nagender Hunger, aber da bemerkte er, wie frisch er sich fühlte und seltsam leicht. Mit einem Lächeln auf den Lippen lief er Ivy nach.
     

GIANT`S CAUSEWAY
    Die Übung

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