LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
getötet«, auf einer Geburtstagsparty hochhielt? Jemand, der ihr beim Ball ein Messer an den Rücken presste?
Emma riss den Kopf hoch und richtete sich auf. Die Ballkleid-Barbie. Sie passte überhaupt nicht zu den anderen Dingen, die Sutton unterm Bett oder in ihren Schubladen aufbewahrte. Emma schnappte sich die Puppe, die zwischen den Bettlaken gelandet war, und drehte sie um. Die Stofflagen des Kleides fielen der Barbie über den Kopf und enthüllten, dass an den innersten Unterrock eine winzige Tasche genäht worden war. Bingo.
Gute Arbeit. Nicht einmal ich wäre auf die Idee gekommen, die Puppe genauer zu untersuchen – und es war anzunehmen, dass ich die Tasche dort angebracht hatte.
Emma bohrte den Zeigefinger in das Täschchen und berührte kaltes Metall. Ein kleiner, angelaufener Silberschlüssel. Sie hielt ihn ins Licht. Die Art Schlüssel, mit dem man ein Tagebuch oder eine Schmuckschatulle abschließt.
Es klopfte und dann flog Suttons Tür auf.
Laurel stand in einer Wolke Tuberosen-Parfüm im Türrahmen, die Hände in die Hüften gestemmt. »Mom will, dass du nach unten kommst und frühstückst.« Dann bemerkte sie die Sachen, die überall im Zimmer verstreut lagen. »Was um alles in der Welt machst du denn da?«
Emma schaute sich das Chaos an. »Ach, nichts. Ich habe nur einen Ohrring gesucht.« Sie hielt ihr einen silbernen Ohrstecker in Form eines Sterns vor die Nase, den sie gerade unter dem Bett gefunden hatte. »Und ich hab ihn.«
»Und was ist das?« Laurel deutete anklagend auf den Schlüssel in Emmas Hand.
Emma starrte ihn an und verfluchte sich. Hätte sie ihn nur versteckt, bevor Laurel ihn entdecken konnte. »Ach, keine Ahnung, wo der passt«, sagte sie abwesend und ließ den Schlüssel auf Suttons Nachttisch fallen, als bedeute er rein gar nichts. Erst als Laurel sich umgedreht hatte, schnappte sie sich den Schlüssel und schob ihn in ihre Jeanstasche. Wenn der Schlüssel Sutton so wichtig gewesen war, dass sie ihn versteckt hatte, führte er vielleicht zu einem großen Geheimnis. Und Emma würde nicht eher ruhen, bis sie herausfand, was es war.
Was zweifelsohne bedeutete, dass auch ich nicht eher ruhen würde.
15
Flucht nach vorn
Am Donnerstagnachmittag saß Emma in Modedesign, Suttons letztem Fach des Tages. Mit Musselinbahnen drapierte kopflose Schaufensterpuppen standen aufgereiht an den Wänden und ein provisorischer Laufsteg durchschnitt den Raum. Die Schülerinnen saßen an Arbeitstischen, die mit Stoffbahnen, Scheren, Knöpfen, Reißverschlüssen und Fadenrollen übersät waren. Mr. Salinas, Holliers einziger Designlehrer, tigerte durch das Klassenzimmer. Er trug schmal geschnittene Hosen und einen hellblauen Schal und sah aus wie Wolfgang Joops jüngerer Bruder.
»Heute werdet ihr mir eine Kollektion präsentieren, die alle Grenzen zwischen Form und Funktion verwischt«, verkündete er näselnd. Er tippte mit seinem langen, dünnen Zeigefinger auf das glänzende Cover einer französischen Vogue , die er bereits mehr als einmal als »seine Bibel« bezeichnet hatte. »Diese Frage brennt jedem Redakteur unter den Nägeln«, sinnierte er. »Wie lässt sich Haute Couture in straßentaugliche Stücke übersetzen?«
Emma schaute ihre Puppe an. Ihre Kreation übersetzte eigentlich gar nichts. Die untere Hälfte war in karierten Flanell gehüllt, den Emma ungeschickt in der Taille abgesteckt hatte, um eine A-Linie zu erschaffen. Darüber hing schief ein schwarzes Chiffontop, dessen Rüschen am Ausschnitt schlapp nach unten fielen. Das Schlimmste war die Brosche: Emma hatte versucht, aus den Resten des Karostoffes eine Blume zu nähen. Fügte man dem Ganzen noch die roten Punkte hinzu, die diverse Stifte auf den Armen der Ankleidepuppe hinterlassen hatten, erinnerte das Ensemble an ein betrunkenes Schulmädchen mit Gothic-Fimmel und Windpocken. Obwohl Emma Mode liebte – sie ging gerne in Secondhandshops auf Schatzsuche und schaffte es immer, ihre billigen Klamotten edel und teuer aussehen zu lassen –, war Nähen nicht so ihr Ding. Sie hatte den Verdacht, dass Sutton den Kurs aus denselben Gründen belegt hatte wie ihre anderen Wahlfächer auch: Man kam auf jeden Fall irgendwie durch und man brauchte nichts dafür zu lesen.
»Was hat der Künstler in euch der Welt zu sagen?«, plapperte Mr. Salinas weiter. »Das ist es, was ihr euch fragen müsst.«
Emma duckte sich. Hoffentlich rief Mr. Salinas sie nicht auf – sie hatte nämlich rein gar nichts zu sagen. Die Probleme,
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