LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
etwas lag.
14
Wenn der Schlüssel passt
In dieser Nacht verhedderte sich Emma immer wieder in Suttons hellblauer Bettwäsche, weil sie sich so unruhig hin und her warf. Suttons alte Plüschtiere saßen aufgereiht am Fuß des Bettes und starrten Emma aus glasig schimmernden Knopfaugen an. Sie waren die einzigen Überbleibsel aus Suttons Kindheit, die ihre Zwillingsschwester aus Nostalgie aufgehoben hatte, und erinnerten Emma an ihre eigenen Kuscheltiere – einen Plüschaffen, den ihr einmal ihr Klavierlehrer geschenkt hatte, weil sie ein besonders schwieriges Stück gemeistert hatte, und Socktopus, den Becky ihr auf einer Reise nach Four Corners gekauft hatte. Suttons Kuscheltiere riefen Emma ins Bewusstsein, wie viel gemeinsame Zeit ihnen entgangen war. Sie dachte an die fehlenden Erinnerungen an gemeinsame Spielnachmittage, an denen sie beide sich in ihrem Spielzimmer geheime Welten hätten erfinden können. So viele Stunden, die unwiederbringlich verloren waren.
Ein Käuzchen schrie in der Eiche vor Suttons Fenster. Emma starrte auf die Äste des Baumes, über den sie sich zu Ethan rausgeschlichen hatte. Auch Thayer war über diesen Baum in ihr Zimmer geklettert. Plötzlich schoss sie hoch. Das Fenster stand weit offen und eine stämmige, schwer atmende Gestalt befand sich in der Ecke ihres Zimmers.
»Hast du wirklich geglaubt, du könntest mich so leicht loswerden?«, fragte eine Stimme.
Obwohl er im Schatten stand, erkannte Emma ihn sofort. »Thayer?«, quiekte sie. Der Name ging ihr kaum über die Lippen.
Sie wich gegen das Kopfteil des Betts zurück, aber es war zu spät. Thayer stürzte vor, schloss die Hände um ihren Hals und flüsterte dicht an ihrem Mund: »Du hast mich verraten, Emma.« Er drückte fester zu, ihre Kehle wurde eng. Seine Unterlippe berührte ihre. »Und jetzt ist es so weit. Gleich bist du wieder mit Sutton vereint.«
Emma grub ihre Fingernägel in Thayers Haut. Sie rang nach Atem, während ihre Lebenskraft langsam aus ihr entwich.
»Bitte nicht«, röchelte sie.
»Auf Wiedersehen, Emma«, sagte Thayer kalt. Er drückte immer fester zu … im Rhythmus von Kelly Clarksons Song »Mr. Know It All«?
Emma setzte sich ruckartig auf. Der Song dröhnte ihr immer noch in den Ohren. Panisch schaute sie sich um. Sie war in Suttons Zimmer und Suttons Bettwäsche klebte an ihrer schweißnassen Haut. Sonnenlicht drang durchs Fenster – das tatsächlich offen stand. Aber die Zimmerecke war leer. Sie berührte ihren Hals und fand keine Spuren davon, dass sie gewürgt worden war. Ihre Haut war glatt, ihr tat nichts weh.
Ein Traum. Es war nur ein Traum gewesen. Aber er hatte sich so real angefühlt.
Für mich auch. Ich starrte auf die Zimmerecke, und es hätte mich nicht gewundert, wenn Thayer wirklich dort gestanden hätte. Es machte mich immer noch total fertig, dass ich Emma überallhin begleitete. Sogar in ihre Träume.
Mit zitternden Fingern zog Emma ihr hellblaues Pyjamaoberteil glatt und schaute sich noch einmal in Suttons Zimmer um. Auf dem Computerbildschirm lief eine Diashow mit vertrauten Bildern von Sutton und ihren besten Freundinnen – das aktuelle Bild war nach einem Sieg der Tennismannschaft aufgenommen worden. Die Mädchen hatten sich die Arme um die Schultern gelegt und warfen der Kamera Peace-Zeichen zu. Ein Französischbuch lag offen auf Suttons Schreibtisch, neben einem dünnen Gedichtband, den Ethan Emma letzte Woche geliehen hatte. Plüschtiere waren nirgends zu sehen – die echte Sutton war viel zu erwachsen für Spielzeug gewesen.
Aber warum stand das Fenster offen? Emma hätte schwören können, dass sie es gestern Abend zugemacht und abgeschlossen hatte. Sie schob die Decke zurück, ging zum Fenster und schaute hinaus. Der makellose Rasen der Mercers breitete sich in grünen Wellen vor ihr aus, alle weißen Rattanstühle und Topfpflanzen standen an ihren Plätzen. Die Sonne von Tucson glühte als Feuerball über den Catalina Mountains und Vogelgezwitscher drang ins Schlafzimmer.
Bsssss.
Emma zuckte zusammen und drehte sich um. Unter Suttons Bett summte etwas. Der BlackBerry aus Emmas altem Leben. Sie holte ihn hervor und schaute auf das Display. Es war Alex, ihre beste Freundin aus Henderson. Emma räusperte sich und ging dran. »Hi.«
»Hi! Alles okay? Du klingst irgendwie komisch.«
Emma verzog das Gesicht. Aber Alex konnte schließlich nicht wissen, was Emma gerade geträumt hatte. Sie wusste nicht einmal, dass Emma in Gefahr war. Ihrer Meinung nach
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