LYING GAME Und raus bist du
dass Sutton verschwunden war, und anfangen, nach ihr zu suchen.
Und vielleicht bekam ich dann endlich heraus, warum – und wie – ich gestorben war. Oder nicht? Wenn Emma ging, würde ich dann mit ihr gehen müssen – mit in ihr neues, anonymes Leben in New York oder den Neuengland-Staaten? Ihr folgen, wohin sie auch floh? Oder würde ich verschwinden, wenn sie mein Leben hinter sich ließ? Was würde dann mit mir passieren?
Emma hatte unauffällig Laurels Autoschlüssel aus deren Tennis-Spind geklaut. Bitte verzeih mir, Laurel, flehte sie stumm, als sie vorsichtig die Schlüssel aus der Tasche nahm und sie in ihre Hose steckte. Keine Minute später fuhr sie aus dem Parkplatz und tippte »Greyhound-Busbahnhof« in Laurels Navi.
Emma ging ins Bahnhofsgebäude und stellte sich hinter einem dünnen Mann mit beginnender Glatze und viereckiger Brille und einer Frau mit wirren Locken und einem riesigen Rollkoffer an. Die leicht schielende Ticketverkäuferin hob den Kopf und starrte sie direkt an. Dann wendete sie sich wieder ihrer Kasse zu. Über dem Kopf der Frau hingen die Abfahrtszeiten der Busse nach Las Vegas. Der nächste fuhr in einer Viertelstunde. Perfekt.
Der dünne Mann stützte sich mit den Ellbogen auf den Tresen auf und plauderte mit der Verkäuferin über das Wetter. Die Neonröhre an der Decke gab ein durchdringendes, schrilles Summen von sich. Bei jedem Windstoß ging die Tür knallend auf und zu und ließ Emma jedes Mal zusammenzucken. Ihr standen buchstäblich die Haar e zu Berge. Warum dauerte das hier denn so lange?
E in Paramore-Song dröhnte plötzlich aus Emmas Han dtasche. Sie zog Suttons klingelndes iPhone heraus. Laurel stand auf dem Display. Emma drückte den Anruf sofort weg.
»Verpasster Anruf« erschien auf dem Schirm, aber Laurel rief sofort noch einmal an. Emma drückte sie wieder weg. Warum war Laurel nicht beim Tennis? Emma hatte gehofft, sie würde erst in rund einer Stunde bemerken, dass ihre Autoschlüssel fehlten. Nach einer weiteren Verpasster-Anruf-Meldung erschien eine neue SMS im Posteingang. Emma öffnete sie. Notruf, schrieb Laurel. Hast du mein Auto geklaut? Bist du okay? Wenn du mich nicht sofort zurückrufst, schicke ich ein Suchteam los.
Die lockige Frau vor Emma starrte sie neugierig an. Auch die Verkäuferin, die gerade ihren Finger abgeleckt hatte, um ein Bündel Scheine zu zählen, blickte wieder auf. Emma versuchte, den Kloß zu schlucken, den sie plötzlich im Hals hatte. Auf einmal kam ihr ihr Fluchtplan total dämlich vor. Laurel drehte beim Tennis wahrscheinlich gerade durch, weil ihr Auto verschwunden war.
Und falls Emma in den Bus nach Vegas stieg, würde die Polizei Laurels Auto schon bald auf dem Parkplatz finden. Da Emma nicht drinsaß, würden alle glauben, das Mädchen, das sie für Sutton hielten, sei von zu Hause ausgerissen. Und dann würde die schielende Verkäuferin Emma als die junge Dame identifizieren, die ein Busticket nach Vegas gekauft hatte … was dazu führen würde, dass die Cops dann dort nach ihr und nicht hier nach Suttons Leiche suchten.
Laurel rief wieder an, als Emma die Schlange verließ. Sie drückte den grünen Hörer und meldete sich. »Da bist du ja, du Weichei«, sagte Laurel genervt. Ihre Stimme klang hohl, als sei das Telefon auf Freisprechen eingestellt. »Hast du mein Auto geklaut?«
»Lös endlich mal dein eigenes Auto aus«, rief Charlottes Stimme im Hintergrund. »Wir legen zusammen!«
»Sorry«, murmelte Emma. »Ich musste nur … was Dringendes erledigen.« Sie ging zum Fenster und schaute auf die Puppen im Erotikshopschaufenster. Was konnte hier denn so dringend sein? Sexspielzeug kaufen? Sich ein Emo-Konzert im Hotel Congress anschauen?
»Ich fahre Laurel nach dem Tennis heim, also mach dir darüber keine Gedanken«, sagte Charlotte. »Aber erledige deine dringende Angelegenheit bitte vor der Pyjamaparty heute Abend, okay? Ohne die gesamte Geschäftsführung wäre es einfach nicht dasselbe.«
»Vergiss Lilli und Gabby nicht«, warf Laurel ein.
»Habe ich nicht. Die sind aber nicht so wichtig«, konterte Charlotte.
Der Bahnhofslautsprecher knisterte. Emma fuhr zusammen. »Abfahrt an Bussteig drei: Greyhound 459 nach Las Vegas«, sagte die nasale, gelangweilte Stimme der Ticketverkäuferin. »Bitte alle einsteigen.«
Emma versuchte, das iPhone zuzuhalten, aber es war zu spät. Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. »Hat da jemand gerade Greyhound gesagt?«, fragte Laurel dann
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