LYING GAME Und raus bist du
Jeans, die nichts verbargen, ein langes gestreiftes Top, das Emma im Schaufenster von Urban Outfitters gesehen hatte, und silberne Peeptoe-Stilettos. Im Haar trug sie eine weiße Ray-Ban-Wayfarer-Sonnenbrille und an ihren Ohren glitzerten kichererbsengroße Diamanten. Ihre Haut war goldbraun und faltenlos, und ihre leuchtenden Augen hatten die Farbe des karibischen Meeres. Emma schaute Laurel an und fragte sich, wer das war. Eine ältere Schwester, die Semesterferien hatte?
»Hi, Sutton«, sagte die junge Frau. »Hallo, Laurel.« Sie deutete anerkennend auf Laurels gestreifte Madewell-Reisetasche. »Coole Tasche.«
»Danke, Mrs Chamberlain«, zirpte Laurel.
Emma verschluckte sich fast an ihrem Kaugummi. Mrs Chamberlain?
Ich war ebenfalls ziemlich erstaunt. Erinnern konnte ich mich nicht an sie.
»Mädels!«, rief Charlotte von der Treppe aus.
Laurel und Emma lächelten Mrs Chamberlain zum Abschied zu – sie schaute sie so erwartungsvoll an, als würde sie am liebsten dazustoßen und mit den Mädchen den Abend verbringen – und stiegen die geschwungene Freitreppe hinauf, über der Klecksbilder im Stil von Jackson Pollock hingen.
Charlotte ging durch eine Flügeltür in ein Schlafzimmer, das doppelt so groß war wie Suttons – und eine Trilliarde Mal so groß wie alle Zimmer, die Emma bislang bewohnt hatte. Madeline und die Twitter-Zwillinge saßen auf einem gestreiften Teppich mitten im Raum, bedienten sich aus einer Schüssel mit Salzbrezeln und tranken Cola Zero.
»Wir haben gerade Lilli und Gabby vom Nisha-Streich erzählt.« Madeline zog ihre schulterfreie Bluse hoch, so dass nicht mehr ihr halber BH zu sehen war.
»Wir hatten natürlich schon davon gehört«, warf Lilli ein und zupfte einen Fussel von ihren fingerlosen Handschuhen im Avril-Lavigne-Stil.
»Vielleicht dürfen wir ja eines Tages mal mit euch einen Streich vorbereiten«, fügte Gabby hinzu und rückte das Ripsband in ihrem langen blonden Haar zurecht. »Wir haben eine Menge genialer Ideen in petto.«
Charlotte setzte sich und nahm sich eine Handvoll Brezeln.
»Sorry. Aber das Lügenspiel ist auf vier Mitglieder begrenzt. Stimmt’s, Sutton?« Wieder sah sie Emma an, als läge die endgültige Entscheidung bei ihr.
Emma lief ein kalter Schauer über den Rücken. Allein schon der Name Das Lügenspiel ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. »Richtig«, sagte sie nach einer Pause.
Gabby verzog das Gesicht. »Wir gehören also nur zum Club, wenn der Witz auf unsere Kosten geht, und sonst nicht?« Sie stieß Lilli an, und die nickte mit flammenden Augen.
Es gab eine lange Pause. Madeline wechselte einen Blick mit Charlotte. »Das war anders.«
»Ja, vollkommen anders.« Charlotte drehte sich um und starrte Emma vielsagend an. Emma nestelte am Knöchelriemen ihres Schuhs. Sie hatte wieder mal keine Ahnung, wovon die anderen sprachen.
Schließlich räusperte sich Charlotte und brach so das angespannte Schweigen. »Okay. Ein Spiel können wir immerhin alle spielen …« Sie riss die Flügeltüren eines großen Holzschranks in der Zimmerecke auf. »Und da wir jetzt komplett sind, können wir gleich anfangen.« Sie enthüllte eine Flasche Absolut Citron, die sie aus dem Schrank geholt hatte. »Was wäre ein neues Schuljahr ohne eine Runde ›Ich hab noch nie …‹?«
Sie füllte die klare Flüssigkeit in runde Gläser und reichte sie den anderen. »Nur noch mal zur Klärung: Ihr nennt etwas, das ihr noch nie getan habt. Zum Beispiel: Ich hab noch nie Mr Howe einen Zungenkuss gegeben.«
»Iiiiiiih«, quietschte Lilli.
»Und dann müssen alle trinken, die Mr Howe schon mal geküsst haben«, schloss Charlotte.
»Aber es müssen realistische Sachen sein«, sagte Madeline und verdrehte die Augen. »Dinge, die wir auch wirklich getan haben könnten.«
»Es hätte durchaus sein können, dass Sutton Mr Howe geküsst hat.« Charlotte warf Emma einen schelmischen Blick zu. »Man weiß ja nie.«
Alle kicherten aufgeregt. »Ich fange an«, erbot sich Madeline. Sie sah alle der Reihe nach an. »Ich hab noch nie … vier Tage am Stück die Schule geschwänzt.«
Sie lehnte sich zurück und ließ ihr Glas unberührt. Gabriella und Lilianna fassten ihre Gläser ebenfalls nicht an. Madeline schnippte Emmas Knie an. »Hallo? Dein langes Wochenende in San Diego? Weißt du nicht mehr?«
»Das wirklich lange Wochenende«, kicherte Charlotte. »Ich dachte, du seiest tot!« Sie nickte Emma zu. »Nicht lang schnacken, Kopp in’ Nacken!«
Emma trank
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