LYING GAME - Weg bist du noch lange nicht
pfeift gellend. Laurel versucht, die Fenster herunterzukurbeln, aber sie bewegen sich nicht.
»Jesus, Sutton!«, schreit meine Schwester. »Was machen wir denn jetzt?«
»Ist das ein Streich?«, brüllt Charlotte und reißt am Türgriff, der keinen Millimeter nachgibt. »Verarschst du uns?«
»Natürlich nicht!« Ich rüttele ebenfalls an meiner Tür.
»Ehrlich wahr?«, schreit Madeline.
»Ehrlich! Ich schwöre es bei meinem Leben!« Das ist unser Code, den wir schreien, wenn wir tatsächlich in ernsthafter Gefahr sind.
Madeline drückt die Hupe auf dem Lenkrad. Sie fiepst so leise wie eine sterbende Ziege. Laurel wählt eine Nummer auf ihrem Handy.
»Was machst du denn da?«, schreie ich sie an.
»Nennen Sie Ihren Notfall«, quakt eine Stimme aus dem Lautsprecher.
»Unser Auto ist auf den Schienen am Bahnübergang an der Kreuzung Orange Grove und 1-Zehn liegen geblieben«, brüllt Laurel. »Wir sind im Auto gefangen! Gleich überfährt uns der Zug!«
Der Zug pfeift noch einmal, einen tiefen Akkord. Die nächsten Sekunden sind das totale Chaos. Charlotte beugt sich vor und hämmert gegen die Windschutzscheibe. Gabby und Lili heulen haltlos. Laurel gibt der Frau am Telefon unsere Daten durch. Ich drehe den Zündschlüssel. Der Zug kommt näher … immer näher … bis ich glaube, das entsetzte Gesicht des Lokführers sehen zu können.
Alle schreien. Uns trennen nur noch Sekunden vom sicheren Tod.
Und in diesem Augenblick greife ich seelenruhig unters Armaturenbrett und ziehe den Choke.
Ich starte den Motor, rolle von den Schienen und halte auf einem staubigen Fleckchen in der Unterführung. Dann öffne ich die Türen, alle stürzen sich in den staubigen Kies und betrachten den Zug, der nur ein paar Meter hinter dem Auto an uns vorbeidonnert.
»Reingelegt, ihr Trottel!«, schreie ich und lache wie verrückt. Mein Körper glüht. »Das war doch der beste Streich aller Zeiten, oder?«
Meine Freundinnen starren mich einen Moment lang nur stumm an. Tränen laufen ihnen die Wangen hinunter. Dann flammt Wut in ihren Augen auf. Madeline rappelt sich unsicher auf. »Was ist los mit dir, Sutton? Du hast den Code verwendet! Das ist gegen die Regeln!«
»Regeln sind dazu da, gebrochen zu werden, Ladys. Wollt ihr wissen, wie ich das gemacht habe?« Ich will es ihnen unbedingt erzählen. Diesen Streich habe ich wochenlang geplant. Er ist mein Meisterstück.
»Es ist mir scheißegal, wie du das gemacht hast«, kreischt Charlotte. Ihr Gesicht ist eine Maske der Wut. Ihre Hände zucken. »Nur du findest das lustig!«
Ich schaue meine Schwester an. Aber sie leckt sich nur die Lippen und schaut sich mit unstetem Blick um, als habe sie der Streich in eine Taubstumme verwandelt.
Madeline bebt vor Wut. »Weißt du was, Sutton? Ich habe die Schnauze voll von diesem Club. Und von dir.«
»Ich auch«, wiederholt Charlotte. Lili schaut zwischen uns hin und her und hängt an unseren Lippen.
Ich hebe das Kinn. »Soll das eine Drohung sein? Wollt ihr aussteigen?«
Madeline richtet sich zu ihrer vollen Größe von fast eins achtzig auf. »Vielleicht.«
»Von mir aus könnt ihr ruhig aussteigen«, sage ich zu Madeline und Charlotte. »Es warten genug andere Mädchen darauf, eure Plätze einzunehmen. Stimmt’s?« Ich wirbele herum und suche Gabby und Lili, aber nur Lili erwidert meinen Blick. »Wo ist Gabby?«, frage ich.
Charlotte, Madeline, Lili und ich schauen uns suchend in der Dunkelheit um.
Aber Gabby ist verschwunden.
8
Wahrheit und Konsequenzen
Emma überflog den Rest des Polizeiberichtes.
Liegen gebliebener 1960er Volvo 122 entkam knapp einer Kollision mit dem Amtrak-Zug Sunset Limited aus San Antonio, Texas. Miss Mercer gibt an, ihr Auto habe nicht mehr reagiert und es sei ihr unmöglich gewesen, weiterzufahren oder ihre Passagiere aussteigen zu lassen. Die Passagiere M. Vega, C. Chamberlain und L. Mercer bestätigen Miss Mercers Aussage, die Elektrik des Autos habe versagt. Es wird keine Anzeige erstattet. Ein Opfer wurde ins Krankenhaus gebracht. G. Fiorello wurde um 22:01 Uhr von einem Krankenwagen abgeholt und ins Oro-Valley-Hospital gebracht.
Emma lief es eiskalt den Rücken hinunter. Gabriella war im Krankenhaus gelandet?
Auf dem Flur ertönten Schritte. Sie stopfte das Blatt schnell in die Aktenmappe zurück und schob den Ordner an seinen alten Platz. Nur Sekunden später riss Quinlan die Tür auf. Er knallte einen Pappbecher mit Wasser so heftig vor Emma auf den Tisch, dass Wasser auf den Tisch
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