LYING GAME - Weg bist du noch lange nicht
wanderte. »Vielleicht wollten sie Sutton selber bestrafen. Ihr eine Lektion erteilen.«
»Mit einem Streich …?«
Emma fröstelte plötzlich. »Du hast gesagt, als das Snuff-Video entstanden ist, hat es so ausgesehen, als wollten Suttons Freundinnen sie umbringen, richtig?«
Ethan schaute auf die Straße und grub seine Schneidezähne in seine Unterlippe. »So hat es auf mich ganz klar gewirkt«, sagte er endlich. »Sie behaupteten zwar, es sei nur ein Streich gewesen, aber Sutton war total verängstigt.«
»Klingt nach Vergeltung«, sagte Emma.
Ethan erinnerte sich besser an jenen Abend als ich. Ich wusste nur noch, dass ich desorientiert und benommen gewesen war, als ich ihn über mir stehen sah. Wenn ich mich nur an die Stunden und Tage nach dem Vorfall erinnern könnte … War ich wirklich weiter mit meinen Freundinnen zusammen gewesen, als wäre nichts geschehen? War es mir so leicht gefallen, meine Angst abzuschütteln?
»Ich glaube, wir sollten die Twitter-Zwillinge nicht so ohne Weiteres abschreiben«, sagte Emma. »Schließlich ist Gabby im Krankenhaus gelandet – vielleicht wurde sie ernsthaft verletzt. Außerdem sehe ich die beiden ständig meine Straße abfahren. Sie beobachten mich, und in der Schule werfen sie mir ständig böse Blicke zu.« Sie schloss die Augen und dachte an Garrett. »Aber da sind sie leider nicht die Einzigen.«
Ethan nickte. »Du kannst nur Leute ausschließen, die für die Nacht ein wasserdichtes Alibi haben.«
Emma hob ihr Gesicht zum Himmel und stöhnte. Alles war so … schwierig. »Suttons Eltern würden mich umbringen, wenn sie wüssten, dass ich hier draußen sitze«, sagte sie und schaute zu den dunklen Fenstern hinauf. »Ich habe jetzt schon bis an mein Lebensende Hausarrest.«
Ethan verschob knirschend seine Füße im Kiesbett. »Dies ist also deine letzte Nacht in Freiheit?«
»So könnte man es ausdrücken. Ab morgen ist mein Fenster mit Sicherheit von außen verriegelt.«
Ethan lächelte. »Dann sollten wir etwas Schöneres machen als über den Mord an Sutton zu reden.«
Langsam hob Emma den Kopf und sah ihm in die Augen. »Und was zum Beispiel?«
»Eure Nachbarn haben einen Pool im Garten.« Ethan zeigte auf die niedrige Mauer, die das Haus der Mercers vom Nachbargrundstück trennte. »Hast du Lust, schwimmen zu gehen?«
»Die sehen uns doch!«, wandte Emma ein. Die Paulsons von nebenan hatten Emma morgens schon ein paar Mal zugewinkt. Sie trugen nur Partnerlook, fuhren identische, champagnerfarbene Lexus und hatten ihren Nachnamen auf alles Mögliche aufgedruckt – auf den Briefkasten, auf eine Steinplakette im Vorgarten, sogar auf ihre Nummernschilder. Sie wirkten ganz nett, aber Emma bezweifelte, dass sie ein Herz für Einbrecher hatten.
Ethan deutete auf die Einfahrt. Neben dem Briefkasten lagen mehrere in blaue Folie gewickelte Zeitungen. Die Fenster des Hauses waren dunkel, und in der Einfahrt war kein Auto zu sehen. »Ich glaube, die sind im Urlaub.«
Emma zögerte. Sie wusste, dass sie eigentlich wieder ins Haus und ins Bett gehen sollte, aber eine teuflische kleine Stimme in ihrem Kopf wies sie auf Ethans schöne Augen und sein hoffnungsvolles Lächeln hin und stachelte sie an.
Vielleicht war dieses Teufelchen ja ich. Meiner Meinung nach hatte Emma ein bisschen Spaß verdient.
»Na gut«, sagte sie mit einem Grinsen.
Sekunden später waren sie über die Mauer der Paulsons geklettert und standen vor dem ovalen Pool, der den größten Teil des Innenhofs einnahm. Schwimmreifen und Luftmatratzen lagen ordentlich gestapelt neben dem Pool. Ein schwarzer Gasgrill stand unter der Pergola, und weiter hinten war eine offene Feuerstelle zu erkennen. Zwei Handtücher mit violetten Monogrammen hingen an den Liegestühlen. Emma schaute noch einmal ängstlich zum Haus der Paulsons. Es war unverändert dunkel und still.
Ethan brauchte nicht einmal fünf Sekunden, um sein T-Shirt und seine Cargoshorts auszuziehen, sich die Joggingschuhe von den Füßen zu treten und in den Pool zu tauchen. Als er wieder an der Oberfläche erschien, grinste er übers ganze Gesicht. »Das Wasser ist traumhaft! Komm rein!«
Emma tauchte eine Zehe ins Wasser. »Äh, ich habe aber keinen Badeanzug an.«
Ethan wackelte mit den Augenbrauen. »Zieh dich ruhig aus, das stört mich nicht.«
Emma warf ihm einen gespielt empörten Blick zu, zog aber ihre Schlafanzughose aus. Gott sei Dank trug sie darunter eine blickdichte schwarze Boxer-Shorts. Sie schlich zum Pool und ließ
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