LYING GAME - Weg bist du noch lange nicht
sich langsam ins Wasser gleiten, das kühl ihre Haut umspülte. Sie stieß sich von der Wand ab und schwamm ein paar Züge unter Wasser. Ihr Hemdchen blähte sich wie ein Fallschirm um ihren Oberkörper. Als sie wieder auftauchte, wartete Ethan in der Mitte des Pools auf sie. Der goldene Schein der Laternen lag auf seinen Wangenknochen und akzentuierte sein kantiges Gesicht, das zurückgestrichene Haar und seine breiten, gebräunten Schultern. Ethan fing ihren Blick auf und lächelte, aber Emma schaute schnell zur Seite. Es war ihr peinlich, dass er sie dabei erwischt hatte, wie sie ihn anstarrte.
»Das war eine gute Idee«, sagte Emma, drehte sich auf den Rücken und ließ sich treiben.
»Habe ich doch gesagt.« Ethan paddelte in Richtung Sprungbrett. »Ich muss dir ein Geständnis machen«, sagte er einen Augenblick später. Seine starken Arme teilten das Wasser. »Ich bin ein unverbesserlicher Pool-Einsteiger. Als ich noch klein war, bin ich ständig heimlich bei meinen Nachbarn geschwommen.«
»Nun, ich bin eine Nachtschwimm-Jungfrau«, sagte Emma und hoffte, dass die dunkle Nacht verbergen würde, dass sie bei dem Wort »Jungfrau« errötet war.
»Ich wollte immer meinen eigenen Pool.« Ethan zog sich am Sprungbrett hoch. »Aber meine Eltern haben es nie erlaubt. Meine Mom hatte Angst, ich könne ertrinken.«
Emma wurde bewusst, wie wenig sie eigentlich über Ethans Leben wusste. »Wie sind deine Eltern so?«
»Sie … na ja, meine Mom macht sich ständig Sorgen«, sagte Ethan achselzuckend. »Und mein Dad ist … weg.«
»Hat er euch verlassen?« Vielleicht hatten sie beide das ja gemeinsam.
Ethan blies langsam Luft aus. »Nicht ganz. Er ist nur viel unterwegs. Seine Arbeit geht ihm über alles, und er hat eine Wohnung in San Diego, ganz in der Nähe des Firmenhauptsitzes. Dort verbringt er mehr Zeit als zu Hause. Wahrscheinlich ist er froh, wenn er uns los ist.«
»Darüber solltest du keine Witze machen.«
Ethan hob eine Schulter, und es sah aus, als würde er noch etwas sagen. Aber dann schüttelte er heftig den Kopf, als wolle er einen Gedanken vertreiben, und ließ sich vom Sprungbrett ins Wasser plumpsen. »Hattest du einen Pool, als du klein warst, Emma?«
Emma lachte und begann, Wasser zu treten. »Ein Pflegekind mit Pool? Wenn ich Glück hatte, war die Badewanne sauber. Aber ich war oft im öffentlichen Schwimmbad. Als ich klein war, hat mir ein Sozialarbeiter Gratis-Schwimmunterricht besorgt.«
»Das ist nett.«
»Schon.« Es wäre schöner gewesen, wenn Becky ihr das Schwimmen beigebracht hätte. Oder wenn eine Pflegemutter mal bei ihrem Schwimmunterricht aufgetaucht wäre. Emma hatte vom Wasser aus immer wieder auf die Ränge gestarrt und gehofft, dort ein bekanntes Gesicht zu sehen, aber sie war jedes Mal enttäuscht worden. Irgendwann hatte sie nicht mehr hingeschaut.
»Was war früher dein Lieblingsspiel im Schwimmbad?«, fragte Ethan.
Emma dachte nach. »Marco Polo, glaube ich.« Das hatten sie nach dem Schwimmkurs immer gespielt.
»Sollen wir spielen?«, fragte Ethan.
Emma kicherte, aber Ethans Gesicht war ernst. »Äh, klar«, sagte sie. »Aber leise.« Sie schloss die Augen, drehte sich ein paar Mal um die eigene Achse und flüsterte: »Marco!«
»Polo«, antwortete Ethan mit leiser Stimme. Emma machte einen Schwimmzug auf seine Stimme zu und streckte dann die Arme vor sich aus.
Ethan kicherte. »Du siehst aus wie ein Zombie.«
Emma lachte, aber es fühlte sich irgendwie falsch an. Vielleicht trieb Suttons Leiche gerade irgendwo im Wasser?
Vor mir stieg das Bild einer kalten, dunklen Wasserfläche auf. Wellen schwappten über einen Körper in tropfnasser Kleidung. Ich konnte nicht erkennen, wer da mit dem Gesicht nach unten am Flussufer lag. War ich es, die dort leblos zurückgelassen worden war?
Emma schwamm halbherzig auf Ethans Stimme zu und versuchte, das Grauen abzuschütteln, das in ihr aufgestiegen war. Ihre Hände griffen ins Leere.
»Ich bin ein Meister dieses Spiels«, neckte Ethan. Es klang, als stünde er im flachen Teil des Pools. »War es sehr schlimm, ein Pflegekind zu sein?«
Emma räusperte sich. »Ziemlich schlimm«, sagte sie und kniff die Augen fester zusammen. »Aber da ich jetzt achtzehn bin, ist diese Zeit ja vorbei. Marco!«
»Polo«, antwortete Ethan irgendwo zu ihrer Linken. »Sie ist auch vorbei, weil du jetzt hier bist und Suttons Leben lebst. Und wenn wir diese Sache aufgeklärt haben, kannst du wieder Emma sein.«
Emma fuhr mit den
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